Friedensordnung (FO)

Die Friedensordnung (FO)
(Auszug aus der der Studie: Das Recht zum Töten im Krieg).
Fassung :5. 11. 2013
Seite
Gliederung:
I. Die politische Verfahrensordnung
1. Die politische Verfahrensordnung als Fundament der
der Friedensordnung
a. Organisationsstatut oder Verfahrensstatut 4
b. Die Gewaltlosigkeit des politischen Verfahrens 7
c. Die Rolle der Macht eines Staates
innerhalb des Verfahrens. 9
d. Das politische Verfahren
als Interessenverfolgungsinstitut 10
e. Herausnahme der Staaten aus dem
Natur- und Kriegszustand 13
f. Wirkung der politischen Verfahrensordnung
auf privat geübte Gewalt. 14
g. Die politische Verfahrensordnung als politisches Spiel 15
h. Dogmatische Einordnung
der politischen Verfahrensordnung 16
i. Garantie des Souveränitätsdogmas 16
j. Keine ideologische oder religiöse Festlegung 17
k. Vergleichbarkeit der politischen
Verfahrensordnung mit dem Krieg 19
2. Gang des Verfahrens 20
a. 1. Zwischenverfahren 20
b. Die erste Verfahrensstufe 21
c. 2. Zwischenverfahren 23
d. Die zweite Verfahrensstufe 23
e. 3. Zwischenverfahren 22
3. Die Alternativvorschläge 25
a. Der erste Alternativvorschlag 26
aa. Das 3. Zwischenverfahren 26
bb.(Der Wettkampf, das Spiel 28
aaa.)Kampfes- und Spielregeln 28
bbb.) Geeignetheit als Kriegsersatz 28
cc. Abschlussverfahren 38
b. Der 2. Alternativvorschlag
aa.) Geeignetheit des Manövers und des virtuellen
Krieges als Kriegsersatz 39
bb. Das 3. Zwischenverfahren 40
cc. Das Abschlussverfahren 41
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4. Die Zwangsvollstreckung 42
5. Stabilisierung der Staaten gegen Bürgerkrieg und
Terror 45
6. Verfahrensordnung zur Lösung der Weltprobleme: 49
a. Gerechtigkeitsfindung 50
b. Schöpfungsbewahrung 54
c. Staatsmacht vor Wirtschaftsmacht 57
II . Aggressionsverhinderungsverfahren 59
1. Die antizipierte Kriegserklärung 60
2. Verlauf des Verfahrens 61
3. Folgen des Verfahrens 64
4. Terrorbekämpfung 66
5. Bedrohungsverhinderungsverfahren 67
6. Internationales Waffenrecht 68
a. Die Verwaltung der Waffen 68
b. Die geborenen unzulässigen Waffen 70
c. Die Verantwortlichkeit für die Waffen 70
III. Wirksamwerden der FO 71
IV. Die Künftige Rolle des Militärs 72
V. Die neue Politik 73
VI. Das Recht zu töten nach Wirksamwerden der F0 74
Die Friedensordnung
„Die Natur will unwiderstehlich, dass das Recht zuletzt die
Obergewalt erhält. Was man hier versäumt zu tun, das
macht sich zuletzt selbst, obzwar mit viel
Ungemächtlichkeiten.“1
Es fragt sich, ob Kant noch im Jahre 2012 den Glauben gehabt hätte, dass die Natur des Menschen, also seine Vernunft, ihn dazu bringt, sich eine Rechtsordnung zu geben, die den Krieg aus den Beziehungen der Staaten verbannt? Reichen die bereits eingetretenen und zu erwartenden Ungemächtlichkeiten aus, ihn zu veranlassen, sich einer Rechtsordnung zu unterwerfen, die auch nach Kants Vorstellungen keine Weltstaat und keine Weltintegration sein darf?2
Wolfgang Sofsky hält Utopien des Friedens und Ideale der Verständigung für eigentümlich hilflos, weltfremd, allenfalls für tröstlich. „ Es bedarf schon eines kurzen Gedächtnisses und einer hartsinnigen Missachtung der Tatsachen, um auf den überkommenen Projekten zu beharren.“3 Dagegen möchte ich Dieter Senghaas, aus einem letzten Werk wie folgt zitieren: „Im 21. Jahrhundert wird es jedoch nicht mehr um den OECD-Frieden, also um Frieden im eigenen Umkreis gehen,
1 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, Dritter Definitivartikel, Erster Zusatz, Ziffer 1, S.32
2 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, Dritter Definitivartikel, Erster Zusatz, Ziff.2, S. 32
3 Wolfgang Sofsky, Zeiten des Schreckens, a.a.O., S. 63
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sondern um eine Weltfriedensordnung auf der Höhe dieses Begriffs, nämlich um einen Frieden der Welt……….Natürlich lässt sich der Verdacht, das schlicht Unmögliche realisieren zu wollen, immer noch auf Pläne globalen Friedens beziehen. Und tatsächlich steht der Realität der Verwirklichung solcher Pläne weltweit Vieles entgegen. Aber nachdem es real existierende regionale Friedenszonen gibt, (wie die OECD, die EU) und nachdem deren Konstitutionsbedingungen erfahrungswissenschaftlich identifiziert und damit transparent sind, ist der zitierte Vorwurf, Lösungen zum globalen Frieden seien in unserer Zeit nicht mehr zu suchen und zu finden, keineswegs mehr so überzeugend wie in den Jahrhunderten, als mancherlei Pläne für regionalen Frieden zwar anregend, aber realpolitisch folgenlos blieben. Angesichts der in diesem Buch diagnostizierten weltweiten Problemlagen ist dies zwar ein zu geringer Trost, aber völlig trostlos ist die Lage aber auch wieder nicht.“4. Sicherlich ist es richtig, dass im Laufe der Zeit die Menschheit in ihrer Einstellung zur Gewalt, zur Ethik, und zu den Sitten keinen Fortschritt gemacht hat. Es ist sogar möglich, einen gewissen Verfall festzustellen5. Eine Friedensordnung darf deshalb nicht von einem idealen Menschenbild ausgehen.6 Zu unterstellen ist vielmehr das schlechteste, wie es Thomas Hobbes entworfen hat7. Es war für ihn ein Gebot der Vernunft, dass die Bürger eines Gebiets einen Gesellschaftsvertrag abschlossen, auf Grund dessen sie einen Staat gründeten und diesem ihre Gewaltbefugnis übertrugen , nicht nur damit der Staat sie auf Grund dieses auf diese Weise ihm gegebenen Gewaltmonopols vor der Gewalt der anderen schützt, sondern auch damit er seine Rechte gegenüber den anderen verfolgen und durchsetzen kann, nachdem in einem gewaltlosen Verfahren festgestellt worden ist, ob seiner Forderung an den anderen zurecht besteht oder nicht. Auch die beste Lösung des internationalen Friedens scheint demnach die zu sein, dass der Staat weiterhin seine Interessen und Rechte verfolgen und durchsetzen kann, ohne aber seine Gewalt dazu einsetzen zu müssen. Ein Mensch, dem diese Möglichkeit im Gesellschaftvertrag gegeben worden ist, musste nicht gut und moralisch sein, um eine derartige Ordnung akzeptieren zu können. Er musste nur mit ausreichender Vernunft begabt sein.8 Auch eine Diebstahlsicherung taugt nur dann, wenn man mit den raffiniertesten Einbrüchen rechnet. Von einem Menschen, der nur an sein eigenes Wohl denkt, keinerlei moralischen Grundsätzen huldigt, kann man auch erwarten, dass er bei dem Kampf um sein Wohl, seine Vernunft einsetzt. Die Zivilprozessordnungen der Staaten sorgen dafür, dass dieser amoralische Mensch seine eigene Gewalt nicht einsetzen muss, um seine Recht zu verwirklichen, sondern
4 Dieter Senghaas, Zum irdischen Frieden, S. 180/1
5 Siehe B V 13a, D 7 d dd, D II 3, D IV 2 a ee,
6 So schon Immanuel Kant, a.a.O. 2..Definitivartikel, 2.Abschnitt, Anhang 1
7 Siehe B III 3a
8 Bezug genommen wird auf B V 4 b aa. Die liberale Wirtschaftsordnung beruht auf die Verwirklichung der egoistischen Interessen eines jeden Einzelnen. Es gilt die Konkurrenz auszuschalten oder sich mit anderen Unternehmen zu verbinden, dass auf diese Weise der Gewinn vergrößert wird. Gewalt in diesem Zysten stört nur.
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dass er dafür den Staat in Anspruch nehmen kann. 9 Das Strafrecht und die Strafprozessordnungen eines jeden Staates versprechen insofern auch die Vernunft eines jeden noch so amoralischen Egomanen an, als diese Normen ihn das Risiko vor Augen führen, das er eingeht, wenn er diese Normen nicht beachtet, indem er eigene Gewalt einsetzt und täuscht. Auf der anderen Seite schützen sie ihn auf diese Weise vor jedem nicht legitimierten gewaltsamen Angriff. Es wird sicherlich keine Mafia und keinen Verbrecher geben, die einer Abschaffung des Strafrechts und der Strafprozessordnung ihre Zustimmung geben würden.10 Das Völkerrecht spricht die Regierung von Staaten an, das sind in der Regel keine Individuen, sondern Kabinette. Wenn es sich um Individuum als Diktatoren handelt, dann haben sie Berater. Sie können sich in ihren Positionen nur halten, wenn sie ganz ihre Vernunft in Anspruch nehmen und Strategien entwickeln, die ihnen und ihren beherrschten Völkern am günstigsten erscheinen. Wenn ihnen dann das Völkerrecht eine politische Verfahrensordnung anbietet, auf Grund dessen sie ohne Gewaltandrohung und ohne -ausübung ihre Interessen verwirklichen können und ihnen dann ein effektives Aggressionsverhinderungsverfahren gegeben wird, auf Grund dessen sie sicher sein können, vor Gewalt anderer Staaten geschützt zu sein und selbst von allen Staaten attackiert zu werden, wenn sie selbst gegenüber einem anderen Staat Gewalt üben, dann kann man erwarten, dass Ihnen Ihre politische Vernunft gebieten wird, ein Völkerrecht, das mit diesem Verfahren versehen ist zu akzeptieren, um ihre Existenz in einem „ewigen Frieden“ zu sichern.11 12
I. Die politische Verfahrensordnung
1. Das Politische Verfahren als Teil der Friedensordnung
Eine Internationale Rechtsordnung als politisches internationales Verfahren zu konzipieren ist meines Erachtens neu, wenn auch die UNO-Charta die Lösung politischer Kriege und sogar die Neugestaltung des Völkerrechts über die Generalversammlung und den Sicherheitsrat zulassen. Mit der konzipierten politischen Verfahrensordnung, sollen die Staaten in die Lage versetzt werden, ihre Interessen zu verfolgen und
9 Wenn er erfolgreich sein will muss er allerdings seine Rechte, die er verwirklichen will, beweisen. Interessen kann er nur mit eigner Gewalt durchsetzen. Das erlaubt ihm aber keine staatliche Verfassung.
10 Auch maffiose Organisationen und Berufsverbrecher agieren höchstens zu 20 % ihres aktiven Lebens außerhalb der Normen. Auch sie versuchen soweit es ihnen möglich ist, ohne Gesetzesbruch ihre Ziele zu erreichen.
11.Allerdings setzte Immanuel Kant, a.a.O., Erster Definitivartikel) dass alle Staaten republikanisch sein sollten, worunter er die demokratische Rechtsstaatlichkeit verstand. In späteren Ausführungen rechnet er die Publizität aller politischen Entscheidungen als weitere wichtige Voraussetzungen für den Weltfrieden hinzu. Diese ist aber durch das Vorhandensein einer medialen Öffentlichkeit inzwischen so stark und weltweit verwirklicht, dass sie nicht nur die Ethik der Politiker sondern auch die Voraussetzung der demokratisch rechtsstaatlichen Verfasstheit aller Staaten ersetzen kann.
12 Allerdings bleibt die Skepsis gegenüber der Vernunft der Politiker als wesentliche Voraussetzung für eine Weltfriedensordnung, wie sie J.J. Rousseau geäußert12 hat, bestehen und ist sogar gegenüber den demokratischen Politikern noch eher angebracht12 als gegenüber den Monarchen. Konnten die Monarchen noch ihr persönliches Schicksals mit dem des Staates verbunden sehen, so sind die auf kurze Dauer gewählten Politiker eher geneigt, sehr gut zwischen dem Wohlergehen des Staates, den sie vertreten, und ihrem eigenem zu unterscheiden. Siehe Jean Jacques Rousseau, Auszug aus dem Plan des Herrn Abee
de Saint-Pierre 1756/1761 in Ewiger Frieden, Raumer, Verlag- Karl Alber, Freiburg 1953, S. 343
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auch durchzusetzen, ohne eigene Gewalt ausüben zu müssen.13 Es ist ein Verfahren, das dem Interessendurchsetzungsinstitut Krieg nachgebildet ist14, es ihn aber ersetzt. Die UNO-Charta ist mehr ein Organisationsstatut, denn eine Verfahrensordnung15. Sie begründet keinen Weltstaat sondern nur ein Forum und eröffnet den Staaten die Möglichkeit, in öffentlichen Diskussionen im Sicherheitsrat oder auch in der Generalsversammlung politische Krisen zu beseitigen. Sie ist ganz im Sinne von Immanuel Kant nur ein Surrogat einer Weltföderation oder –integration und erreicht nicht die Qualifikation eines Weltstaates.16 Natürlich gibt es das StIGH. Doch ist es für keinen Staat, den Zwang, sich der Entscheidungsgewalt des IGH zu enterwerfen17. Neu ist das vorzuschlagende politische Verfahren für die Staaten insofern, weil es in ihm als wesentliche Voraussetzung die weitgehende Parteienherrschaft gibt, die auch den Charakter des Krieges als völkerrechtliches Interessenverfolgungs- und –durchsetzungsinstitut im Wesentlichen bestimmte.18 Auch bei den innerstaatlichen Interessenverfolgungsinstituten, wie dem Wahl- und Arbeitskampf, ist die Parteienherrschaft das wesentliche Charakteristikum. Interessen müssen nämlich erkämpft werden, um zu Rechten zu werden.
Alternativen zu dem bisherigen Kriegsverhinderungsrecht sind bereits oben vorgestellt und verworfen worden.19 Dazu gehörte die Gründung einer Weltföderation oder eines Weltstaates.20 21 Die weiteren Fragen sollen im Verlauf der nachfolgenden Erörterungen hoffentlich überzeugender als bisher beantwortet werden.
a.
Strukturunterschiede zwischen einem Organisations-
und Verfahrensstatut
Der ewige Frieden muss neu definiert werden. Der Krieg lässt sich auch nicht einfach abschaffen, sondern er muss vielmehr durch ein anderes völkerrechtliches Verfahrensinstitut ersetzt werden. Wenn ich dennoch Bedenken habe, den Thesen Sofskys nicht ohne weiteres zuzustimmen, so deshalb, weil die Gefahr besteht, dass sie dahingehend falsch verstanden werden, dass jeder Gedanke an den ewigen Frieden als Verschwendung von Energien überflüssig ist. Sofsky spricht ausdrücklich von überkommenen Vorstellungen, wobei er offensichtlich in erster Linie die Errichtung eines Weltstaates oder einer Weltföderation (Organisationsmodell) im Auge hat. Karl-Otto Hondrich bringt die
13 Über den Gang des Verfahrens, siehe K I 2
14 Siehe hierzu K I 1 l
15 Siehe hierzu K I 1 a
16 Immanuel Kant, a.a.O. 2. Definitivartikel,
17 Siehe J III 17
18 Die Zivilprozessordnungen kennen auch die Parteiherrschaft. Diese besteht in der politischen Verfahrensordnung i n einem weit höheren Maße, weil die beteiligten Staaten nicht direkt gezwungen sind, abschließende Entscheidungen der verschiedenen Verfahrensstufen zu akzeptieren.
19 Siehe J III 3 bis 17
20 Siehe J III 14
21 Siehe auch nachfolgend .1
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illusionäre Vorstellung von einem Weltstaat auf den Punkt, indem er konstatiert, dass er nur unter drei Voraussetzungen existieren kann:
1.) Das Leben der Menschen muss unverletzlich sein.
2.) Sie müssen ihre Lebensform für nicht verteidigungswürdig ansehen.
3.) Es muss Harmonie der Werte herrschen.22
Solche Vorbedingungen müssen bei der Konzeption für eine politische Verfahrensordnung nicht gestellt werden, ja ihr Vorhandensein zu 2.) und 3.) wird sogar als schädlich angesehen. Ein Verfahren setzt geradezu zu seiner Funktion den Kampf um das Recht, die Interessen und Lebensgestaltung voraus. Das heißt, es geht praktisch darum, den Krieg als Verfahrensinstitut zu erhalten, aus dem der Faktor Gewalt verbannt wird. Die politische Verfahrensordnung ist eine Streitordnung, die Gegensätze in Interessen und Wertvorstellungen geradezu voraussetzt.
Sie steht damit in einem gewissen Gegensatz zu der von Franz Nuscheler23 beschriebenen Global Gouvernement, die einen Konsens in der Sache und nicht nur bezüglich des Verfahrens voraussetzt, wenn sie erfolgreich funktionieren soll. Damit soll nicht die politische Entwicklung der Staatengemeinschaft zu einem System des Global Gouvernement als falsch oder gar verhängnisvoll verdammt werden, insbesondere dann nicht, wenn kein Zwang zur Mehrheitsentscheidung in ihr besteht. Global Gouvernement wäre vielmehr eine gute Ergänzung der politischen Verfahrensordnung. Es wäre praktisch eine Vorstufe für sie, wie es in Deutschland die Verwaltungsverfahrensordnung, in der außerhalb eines Gerichtsverfahrens entschieden wird, für die die Verwaltungsgerichtsverfahrensordnung gesetzt ist, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn eine friedliche Einigung oder Entscheidung nicht möglich ist. In der politischen Verfahrensordnung, die den Krieg als gewaltloses Institut ersetzen soll, muss das, was richtig ist und wer Recht hat, gerade von dem, der diese Positionen für sich in Anspruch nimmt, gegen den erstritten werden, der sie ableugnet.
Wird diese Verfahrensordnung zum Kern einer Weltrechtsordnung, so setzt auch sie einen gewissen Konsens der Nutzer voraus.
Dazu gehört:
1.) Die gegenseitige Anerkennung aller am Verfahren Beteiligten, als grundsätzlich gleichberechtigt. (Verfahrensgleichheit).
2.) Die Ablehnung jeder Gewalt, soweit sie nicht durch das Verfahren legitimiert ist.
3.) Das Selbstbestimmungsrecht und Existenzrecht eines jeden Volkes.
4.) Die Religionsfreiheit
5.) Die Anerkennung der menschlichen Grundwerte, wie Freiheit, Gleichheit, Achtung vor der Natur und das Recht auf Grundversorgung, mit Wasser, Luft und lebenserhaltender Nahrung.
22 Karl Otto Hondrich, Auf dem Weg zur Weltgewaltordnung, a.a.O.
23 Franz Nuscheler, a.a.O.
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Wenn viele Millionen Menschen24 noch ohne diese Rechte zu 3.) bis 5.) auskommen müssen, so soll die Verfahrensordnung ihnen die Möglichkeit geben, um sie zu kämpfen, d.h. unbedingte Voraussetzung für die politische Verfahrensordnung sind die zu 1.) und 2.) genannten Punkte.
Bei den Plan, den Krieg durch ein Interessendurchsetzungsinstitut, das prinzipiell die Gewalt heraushält, zu ersetzen, ist von der These des italienischen Professors Coppola auszugehen, dass der Krieg so lange nicht wirksam verboten werden kann, solange Völker noch genötigt sind, ihre vitalen Interessen zu wahren und durchzusetzen, und ihnen eine anderes politisches Mittel als der Krieg hierfür nicht zur Verfügung steht.25 Der Krieg kann nur als völkerrechtliches Institut abgeschafft werden, nicht aber die kriegerische Gewalt, solange die Staaten gezwungen sind, sich in erster Linie selbst verteidigen zu müssen26 und sie keine Möglichkeit haben, gewaltlos ihre Interessen und Rechte wirksam zu verfolgen.
Coppolas zweite Aufsehen erregende These richtete sich gegen das Kriegsverhinderungsrecht des Völkerrechts und damit auch gegen das der später gefundene der UNO. Er meint nämlich, dass kein Staat sich bereitfinden wird, nur um das lieben Friedens willen, das Leben eigener Soldaten zu opfern27. Auch dieser These kann gefolgt werden. Wenn die FO Wirklichkeit geworden, geht es bei dem Einsatz des Militärs nämlich nicht nur um den lieben Frieden, sondern um die Aufrechterhaltung einer Weltrechtsordnung, die nicht nur den Frieden garantiert, sondern die Verwirklichung überwiegender Interessen und des Völkerrechts dient.
b.(Die Gewaltlosigkeit des politischen Verfahrens)
Allerdings muss zugegeben werden und dies ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, dass die Gewalt den Krieg derart prägt, beherrscht und letztlich definiert, dass es widersinnig erscheint, sie aus dem Institut Krieg zu eliminieren. Auf jeden Fall wird wohl nach dem Herausnehmen des Faktors Gewalt aus dem Begriff Krieg ein total anderes Institut gebildet, als der gewaltsame Krieg es gewesen ist. Im Natur- und Kriegszustand, in dem sich die Staaten mangels Rechtsordnung noch befinden, ist ihre Gewalt letztlich auch das, was ihre Existenz im Wesentlichen begründet.28 Staaten werden nach wie vor außenpolitisch nach dem Umfang und der Qualität ihrer Gewaltmittel geachtet und können nur so politisch sicher agieren. Wird ihnen nun diese Gewalt genommen, so wird nicht nur der Krieg als solcher radikal verändert, sondern, so scheint es, auch das Wesen der Staaten.29 30 Das scheint aber nur nach dem ersten Eindruck so zu sein. Tatsächlich werden die Staaten in ihrer Staatlichkeit gestärkt, denn das Gewaltmonopol wird Ihnen sowohl
24 Kofi Annan, a.a.O.
25 Geäußert in der Internationalen Studienkonferenz von1935 Friedrich Berber, a.a. O. Bd. III, §19, Anm.46
26 Art. 51 UC
27 Siehe Anm.11
28 Siehe B IV 1
29 Siehe B IV 1
30 Siehe J VI
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in der politischen Verfahrensordnung als auch in dem Aggressionsverhinderungsrecht gegenüber denjenigen, die es ihnen streitig machen könnte, garantiert.31 Die Staaten behalten natürlich das innenpolitische Gewaltmonopol, d.h. sie können innenpolitisch weiterhin ihre Rechte und die ihrer Bürger mit Gewalt durchsetzen, außenpolitisch werden sie dagegen nach Wirksamwerden des Verfahrensinstituts ohne Rücksicht auf dieses ihre militärische Gewalt zur Durchsetzung ihrer Rechte und Interessen nicht mehr einsetzen können, wohl aber, und das ist entscheidend, zur Durchsetzung titulierter, d.h. erkämpfter Rechte und zwar mit Hilfe der anderen Staaten. Natürlich bleibt ihnen auch das Verteidigungsrecht, wobei ihnen die Unterstützung der anderen Staaten gesichert wird, was nach dem bestehenden Völkerrecht keineswegs der Fall war.32 Das Völkerrecht hat inzwischen nach dem Kellogg-Pakt und der UNO-Charta das Gewaltmonopol der Staaten mit deren Einverständnis ebenfalls auf die Friedenssicherung beschränkt. Dieses beschränkte Gewaltmonopol soll den Staaten auch nicht genommen werden, d.h. es muss ihnen letztlich das gewaltsame Kriegsverhinderungsverfahren den Staaten erhalten, sondern es kann weiter ausgebaut werden. Insofern schränkt die politische Verfahrensordnung die Rechte der Staaten nicht weiter ein, als das schon geschehen ist. Dass das Kriegsverhinderungsverfahren die Kräfte der Staaten natürlich wirksamer gegen einen Aggressor organisiert, verändert die militärische Gewalt sicherlich in ihrem Umfang und in ihrer Qualität, denn es ist davon auszugehen, dass militärische Gewalt, geübt auf Grund einer festen Rechtsgrundlage anders organisiert und anders ausgeführt werden wird, als diese im freien Rechtsraum geschieht. Da jeder Staat zur Verteidigung eines anderen oder zur Vollstreckung von Rechten herangezogen werden kann, wird auch der Standard des Militärs aller Staaten sich angleichen, nicht nur in ihrer Organisation, sondern auch bei der Durchführung von militärischen Einsätzen. Wenn nun den Staaten die Kriegsgewalt zur unmittelbaren Durchsetzung eigener Interessen genommen wird, so erhalten sie im Gegenzug ein Interessendurchsetzungsinstitut, auf Grund dessen von der Staatengemeinschaft festgestellt wird, dass das verfolgte Interesse gegenüber dem entgegengesetzten an Berechtigung überwiegt und dass diese Staatengemeinschaft die Durchsetzung dieses Interesses mit allen Mitteln, letztlich auch mit Gewalt verspricht. Damit erhalten die Staaten mehr Macht, als sie sie wegen des Kriegsverbots zuvor hatten.
Sicherlich wird es trotz der Verfahrensordnung weiterhin nicht als ausgeschlossen angesehen werden können, dass es Staaten oder Bevölkerungsgruppen gibt, die jenseits einer Legitimation durch die Verfahrensordnung zur Gewalt greifen werden. Es wird aber keine Diskussion mehr darüber geben können, ob das Unrecht ist oder nicht, und es wird für keinen Staat mehr einen Grund geben, sich bei der Bekämpfung dieser Gewalt zu entziehen. Die Sprache der Gewalt wird aus den Beziehungen der Staaten und Völker verbannt sein. Die Staaten werden nach den Regeln der Verfahrensordnung künftig gewaltlos
31 Siehe K II
32 Siehe F II 2 a cc
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miteinander kommunizieren und ihre Interessen gewaltlos unter einander aus- und angleichen. Selbst bei schwersten Interessengegensätzen werden die Staaten in der Kommunikationsstufe 133 ihre politischen Auseinandersetzungen führen. Die internationalen Beziehungen finden damit generell auf einem höheren kulturellen und zivilisatorischen Niveau statt. Sie verlassen ein Niveau, das, wenn sie auf ihm stehen geblieben wären, es ihren sicheren Untergang bedeutet hätte.
c.(Die Rolle der Macht eines Staates innerhalb des Verfahrens.)
Das Verfahren ist so konzipiert, dass zwar aus dem neuen Interessenverfolgungsinstitut die Gewalt eliminiert wird. Ein wichtiger Faktor für die Endentscheidung bleibt aber die Macht eines jeden Staates.34 Wenn die Gewalt aus diesem neuen Institut nicht ersatzlos herausgenommen, sondern durch Macht ersetzt wird, die ja auch Voraussetzung jeder militärischen Gewalt ist, so haben die Staaten eigentlich nur gewonnen. Ihre Macht, die vorher auch schon Basis ihrer Existenz war, wird durch das Verfahrensinstitut rechtlich abgesichert.
Damit bleibt das Interessendurchsetzungsinstitut Teil einer Machtordnung, wie es die Weltordnung vor Einbindung in eine Rechtsordnung auch ist und war. Die Frage ist allerdings, worauf beruht die Macht eines Staates, wenn nicht auf sein Militär und dessen Ausrüstung? Es wird die Wirtschaft mit der Arbeits- und Innovationskraft seiner Bevölkerung und seiner Ressourcen an irdischen Gütern sein. Doch ist zuvor gerade erörtert worden, dass die Wirtschaft inzwischen global geworden ist und sich aus den Zwängen der Staaten befreit hat. Sie ist eine globale, von den Staaten immer mehr unabhängige Macht, wenn sie auch kopflos ist.35 Von dieser Feststellung soll hier nicht abgewichen werden. Letztlich bedeutet dies, dass die Staaten sich die verloren gegangene Macht wieder erringen müssen. Da die Wirtschaftmacht global bleiben muss, werden die Staaten sich im Kampf um deren Macht solidarisieren müssen, damit jeder die Wirtschaftsmacht seines Landes auch beherrscht, kontrolliert und zugunsten seiner Bevölkerung nutzen kann und nur einem fairen internationalen Wettbewerb unterliegt. Auf diesen Kampf kann sich jeder Staat konzentrieren, denn kein Staat kann ihn gewaltsam mehr daran hindern. Darüber hinaus bleibt ein Staat, der mit einem gut organisierten, ausgestatteten Heer bewaffnet allein deshalb mächtig, weil er als Vollstrecker des politischen Verfahrens sich anderen Staaten andienen kann. Auch innerhalb eines Verfahrens kann ein Staat seine Macht zeigen, indem er andere Staaten innerhalb des Verfahrens zu gewinnen in der Lage ist.
Der entscheidende Vorteil dieser politischen Verfahrensordnung besteht darin, dass sie keine Macht verteilt oder zuordnet, sondern von den gegebenen Machtverhältnissen ausgeht, wie das übrigens bei dem Krieg auch der Fall ist. Dagegen wird in einem Organisationsstatut die Macht,
33 Siehe B V 4 b aa
34 Das ergibt sich insbesondere aus der 2. Verhandlungsstufe.
35 Siehe D I 13
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die der Staat vor seine Integration in eine Weltorganisation hatte, ihm entzogen werden müssen. Er muss Mitwirkungsrechte den anderen Staaten und der internationalen Organisation einräumen.. Auf Grund dieser Gegebenheit wird es auch nie zu einem Weltstaat kommen36.
Wenn die Verfahrensordnung bewirkt, dass die Gewalt als politisches Mittel ausscheidet und dafür die Macht eines einzelnen Staates entsprechende Berücksichtigung bei der Entfaltung der politischen Gestaltung findet, so ist damit schon viel gewonnen. Dass einerseits die Gewalt aus dem Verfahren ausgeschlossen wird und andererseits die Macht den Ausgang beeinflussen kann, ist, wenn man so will, ein Kompromiss, der letztlich aber dazu führt, dass auch die mächtigen Staaten sich der politischen Verfahrensordnung unterwerfen können. Die mächtigen Staaten innerhalb der noch bestehenden Weltmachtordnung sind nämlich als solche am schwersten zu bewegen, nicht mehr allein auf ihre Gewalt zu vertrauen, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht.37 Der Faktor Macht darf auch deshalb in einem Interessendurchsetzungsverfahren nicht außer Acht gelassen werden, weil davon auszugehen ist, dass je größer die Macht eines Staates ist, desto größer wird sein Einsatz für das von ihm verfolgte Interesse sein. Die von ihm erreichte Macht spiegelt in dem Erfolg seiner Durchsetzungskraft im Spiel des Lebens wieder. Das hier vorgeschlagene Verfahren ist für diesen Staat lediglich die geordnete Fortsetzung des bisher vom ihm erfolgreich gespielten Lebensspiel.38 39
d.(Das politische Verfahren als Interessendurchsetzungsinstitut)
Das neue politische Verfahren wird, wie zurzeit noch der Krieg, das einzige völkerrechtliche Institut sein, das einem Staat ermöglicht, ohne Kompromisse, aber mit dem oben genannten Grundkonsens, seine Interessen und Rechte durchzusetzen. Interessenverfolgungsverfahren sind eigentlich Fremdkörper innerhalb einer Rechtsordnung, denn diese kennt im Prinzip nur solche, in denen der Bürger seine Rechte verfolgen und auch schützen kann. Ein Interessenverfolgungsinstitut kann nur deshalb und insoweit Bestandteil einer Rechtsordnung sein, als es eben die Verfolgung der Interessen mit eigener Gewalt verhindert, nur die legitimierte Gewalt zulässt, wobei auch die Legitimation erkämpft werden muss. Das politische Verfahren hat noch seine Wurzeln in der Machtordnung und dennoch seinen wesentlichen Bestand und seine Wirkung als Rechtsordnung.
Ist es einem Staat gelungen, sein Interesse in dem Verfahren mit einem Titel zu versehen, so wird dieses zum Recht. Ich wiederhole: Schon der Krieg alten Stils war in erster Linie ein Rechtsverschaffungsinstitut.40 Das
36 Siehe hierzu H III 14
37 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, 91 ff
38 Der Faktor Macht wird in dem politischen Verfahren insofern eine Rolle spielen, als er dem im Verfahren beteiligten Staat
ermöglicht, andere Staaten in der zweiten Verfahrensstufe (vor der Generalversammlung) als Streitgenossen für sich zu
gewinnen. Das kann durch Überzeugungskraft, aber auch durch politische Arrangements geschehen
39 Siehe J IV 1
40 Siehe B III 3 e
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durch Krieg erkämpfe und verwirklichte Interesse wurde aber selten anerkannt und das Erreichte wurde daher selten zum dauerhaften Recht, weil das Ziel durch Gewalt erreicht wurde, die als Kommunikationsmittel aus ethischen Gründen selten ihre letztliche Anerkennung findet. Es kommt hinzu, dass es keine Zivilisation, d.h. eine Gemeinschaft von Menschen, die die Anwendung eigener Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen gegenüber einem Gemeinschafts- oder Gesellschaftsmitglied zulässt oder auch nur duldet, gibt es nicht. Allein durch die Entwicklung der Sprache hat sich der Mensch zu einem sozialen Wesen entwickelt. Über sie wirbt der Mensch gegenüber dem anderen um Verständigung und Respektierung seiner Person und Wünsche. Er gibt immer zu erkennen, dass er ohne die Gemeinschaft der anderen nicht existieren kann. Diesen Zustand der dem Menschen eigner Zivilisation erreichen die Staaten, wenn sie auf die Durchsetzung eigner Interessen mit Gewalt verzichten und es mit verbaler Kommunikation versuchen. Überdies hat in unseren Zeiten, in denen die Gewalt ein schrankenloses Ausmaß gewonnen hat, der Krieg als Interessendurchsetzungsinstitut jede Tauglichkeit verloren und führt lediglich nur noch zur Selbstvernichtung.
Mit dem Verbot des Krieges verloren die Staaten jedes Interessendurchsetzungsinstitut. Um des lieben Friedens willen nahm man den Staate damit ihre positive Souveränität41 und beschränkte sie auf ihre negative.42 Außenpolitisch gibt es damit für die Staaten kein Verfahren, ihre Rechte und Interessen zu verfolgen und durchzusetzen.43 44 Wie bereits ausgeführt, wurde der Krieg nicht mehr als Interessendurchsetzungsinstitut gewertet, sondern nur noch als Mittel der Verteidigung45. Bei dem Kriegsverbot ging es nur noch den Status quo, d.h. die bestehenden politischen Machtverhältnisse so zu erhalten, wie sie waren. Das von den Staaten mit dem Kellogg-Pakt, der UNO-Charta und dem negativen Souveränitätsdogma entwickelte völkerrechtliche Rechtssystem war deshalb zutiefst lebensfeindlich; stand es doch jeder gesellschaftlichen Entwicklung entgegen. Es verletzte auch geradezu das Recht, denn es lieferte mit dem negativen Souveränitätsdogma die Menschen total menschenverachtenden Systemen und Diktatoren aus.46
Das bisherige Verbot des Krieges, aber auch seine kulturelle und politische Antiquiertheit und Untauglichkeit, haben bewirkt, dass jedes politische Interesse, also auch das existentielle, nur noch über die Kommunikationsstufe 1, also durch Verhandlungen47, die weder zwingend zu einem Ergebnis führen, noch sinnvoll beendet werden können, verfolgt werden kann.
Die Verfahrensordnung geht bei der Interessenabwägung von einer Rangfolge aus, die dann auch den Grad der Erfolgschancen in dem
41 Siehe B III 3 d
42 Siehe B III 3 h
43 Jean Jaques Rousseau, Auszug aus dem Plan des Herrn Abee de Saint-Pierre 1756/1761 in Ewiger Frieden,
Raumer, Verlag Karl Alber, Freiburg 1953, S. 360
44 Siehe B III 3 h
45 Art. 51 UC
46 Siehe B III 3 i
47 Siehe B V 4 b aa
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Verfahren bestimmt: Eine Rangfolge der Interessen nimmt auch Egon Bahr vor, ohne allerdings sie in ein politisches neues Verfahren einzubringen.48 Er unterscheidet zwischen den vitalen, den herausragenden, den wichtigen und schließlich den sekundären Interessen, wobei er allerdings die Wertung allein vom Standpunkt des jeweiligen Staates aus vornimmt. Ähnlich ist die Rangfolge der politischen Verfahrensordnung, nämlich, berechtigte, überwiegende und vitale Interessen. Werden diese Interessen in der Rangfolge in einem Verfahren gewertet, dann muss die Eingruppierung objektiv erfolgen, d.h. vom Standpunkt eines Dritten oder der Staatengemeinschaft aus gesehen.
Bei der Interessenabwägung ist in der erste Verhandlungsphase davon auszugehen, dass die Berechtigung zur Verfolgung des Interesses dem entgegen gesetzten überwiegt. Dagegen ist in der zweiten Verhandlungsphase von einem überwiegenden Interessen auszugehen, wenn ihre Ziele dem größeren Teil der Weltbevölkerung nützen. Wenn es also einem Staat gelingt, seine Interessen zu allgemeinen Interessen oder zu solchen zu machen, die zu verfolgen, sich auch die überwiegende Zahl der Staaten bereitfindet, wird er sie auch durchsetzen können. In der Findung von Gemeinsamkeiten, sieht letztlich auch Samuel H. Huntington ein die Menschheit am ehesten von der permanenten Kriegsgefahr befreiendes Verfahren.49 Da die Staaten in der Regel erfolgreich nur dann sind, wenn sie überwiegende Interessen verfolgen, d.h. wenn sie global agieren, bekommen die Staaten praktisch die Stellung von Weltbehörden. Ihr Wirken dient automatisch mehr dem Allgemeinen Wohl als den streng eigenem. Mit diesem Institut kann zum Beispiel jeder Staat einen Plan zur Erhaltung der Biosphäre Erde kompromisslos durchsetzen. Ob er tauglich ist, wird im völkerrechtlichen Rahmen des Verfahrens überprüft. Insoweit kann man meinen, dass doch ein Paradigmenwechsel in ihrer Entwicklung von der Regionalität in die Globalität ihres Status zu sehen ist. Es kommt hinzu, dass es im Krieg in der Regel darum ging, den die Verfolgung eigner Interessen verhindernden Staat zu schwächen oder sogar zu vernichten, Dagegen geht es bei dieser politischen Verfahrensordnung darum, den gegnerischen Staat für die Verfolgung der eigen Staaten zu gewinnen. Zwar soll auch dessen Widerstand gebrochen werden, doch ist das wesentliche Ziel des Verfahrens, festzustellen, inwiefern die eigene Interessenverfolgung auch der Staatengemeinschaft dient und wie sie modifiziert werden kann, dass sie von den anderen Staaten akzeptiert wird. Erstes Ziel der politischen Verfahrensordnung ist also nicht die Schwächung, Vernichtung und Zerstörung, sondern die Gestaltung und Verständigung.
Wird ein politisches Verfahren den Staaten auf internationaler Basis zugestanden, so können diese nämlich sogar Interessen, die nicht nur auf das Wohl des eignen Staates gerichtet sind, sondern auch solche, die dem Wohl, sogar der Rettung anderer Staaten, der Umwelt, ja der Menschheit dienen, durchgesetzt werden. Es kommen Zeiten, in denen die
48 Egon Bahr, Deutsche Interessen, Karl Blessing Verlag, München 1989,S.21 ff
49 Samuel P. Huntington.a.a.O.S.530,531
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Verhältnisse der Staaten, Völker, Gesellschaften, Gruppierungen und auch Individuen zueinander immer enger und intensiver werden.50 Bald wird jede Nation vor der Frage gestellt sein: Entweder ist unser Schicksal mit allen anderen Völkern besiegelt, oder aber wir zwingen die anderen Völker, unsere Lösungen der Probleme nach Überprüfung innerhalb eines fairen Verfahrens zu akzeptieren, damit nicht nur sie, sondern alle überleben können. Einen solchen Weg zu gehen, bedeutete bisher, einen gewaltsamen Krieg zu führen,
Dennoch sollte der Staat auf jeden Fall erfolgreich sein, der vitale Interessen vertritt. Vitale Interessen sind solche, bei denen es um die Existenzerhaltung geht. Ob die Interessen die genannten Qualitäten haben oder nicht, darüber entscheiden der IGH und vor allem das Plenum der Abgesandten der Staaten in der Generalversammlung der UNO. Es auch im Lauf des Verfahrens jederzeit vom IGH überprüft werden, ob das verfolgte Interesse ein vitales ist. Von Vornherein ausgeschlossen sollte auch nicht die unberechtigte Interessenverfolgung sein. Das Verfahren muss so gestaltet werden, dass eine unberechtigte Interessenverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, aber doch eine gewisse Chance bekommt, die zumindest darin besteht, dass sie zur Kenntnis genommen und diskutiert wird.
Wenn das Völkerrecht sich bisher darauf beschränkt hat, den Krieg zu beseitigen, ohne ihn nicht durch ein anderes Verfahrensinstitut zu ersetzen, dann entscheidet man sich mehr oder weniger für das langsame Zugrundegehen allen Lebens. Die Erkenntnis, dass man den Krieg nicht dadurch loswird, dass man ihn einfach abschafft, hat letztlich dazu geführt, dass man sich darauf beschränkte, ihn zumindest im Ausmaß einem Schrecken zu reduzieren. 51 52 Es bleibt den Menschen am Ende des 20 Jahrhundert vorbehalten, zu erkennen, dass das ein vergebliches Bemühen war. Gewalt, einmal in Gang gesetzt, lässt sich nicht beschränken.53 Es gibt zurzeit keine Nation auf der Erde, die nicht den zivilisatorischen Status hat, aus dem sie die Notwendigkeit der Findung eines Ersatzinstituts für den Krieg begreifen könnte. Dies zu erkennen und sich nicht für das Projekt einzusetzen, ist moralisch fragwürdig, für einen Politiker ist es verbrecherisch.
e.(Herausnahme der Staaten aus dem Natur- und Kriegszustand)
Die Kommunikationsstufe 1 ist Bestandteil einer jeden Rechtsordnung und nicht des Natur- oder Kriegszustand, in der sich die Staaten noch befinden. In diesem Zustand ist aber die Sprache der Gewalt die natürliche.54 Wenn die U.S.A. z.B. in dieser Situation jedes Gespräch mit den von ihnen so bezeichneten Schurkenstaaten, wie dem Iran, Nord-Korea und Syrien, sich weigern zu führen, kann z.B. die Nah-Ost-Krise
50 Siehe hierzu E II – IV
51 Michael Ignatieff, a.a.0., S. 151
52 Siehe Kapitel G
53 Siehe B V 9 und G X
54 Siehe hierzu B V 4 b cc
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nicht gelöst werden, die Energieversorgung des Westens bleibt gefährdet, der Iran kann sich in aller Ruhe die Atombombe beschaffen und diese dann großzügig an Terroristen weitergeben. Auch wenn die U.S.A dem Iran um ein Vielfaches an militärischer Potenz überlegen ist, können sie nicht wagen, den Iran militärisch zu zwingen, eine Atombombenproduktion einzustellen, denn die letzten Kriege in Afghanistan und im Irak zeigen, dass kein Staat einen solchen militärisch, finanzielle und auch moralisch mehr durchsteht. Das bedeutet, obgleich sich die Staaten sich noch in dem Natur- oder Kriegszustand befinden, können Sie auch mit Gewalt die Probleme nicht lösen und die Krisen beherrschen. Freundschaften zwischen Staaten in diesem Zustand sind eine Illusion. Dies wurde im Jahre 2013 deutlich, als sich herausstellte, dass die NSA, der amerikanische Geheimdienst, sogar das Handy der Bundeskanzlerin überhört hatte, d.h. sie wurde ausspioniert. Die Empörung in Deutschland über diesen Vorgang zeugt von großer Naivität. In einem Kriegszustand gehört das Auspionieren des anderen Staates, sei er auch noch so freundschaftlich mit dem eigenen offiziell verbunden, zu den natürlichen Gepflogenheiten innerhalb der Staatengemeinschaft. Man muss das nur so anstellen, dass der andere Staat es nicht merkt und weiterhin in dem Glauben verharrt, er werde als Freund geachtet. Wenn der Krieg, also die Kommunikationsstufe 3, und damit auch die zweite (politischer Druck)55 wegen des ernst genommenen Kriegsverbot entfallen, entsteht ein Stillstand der Politik, so dass die Krisen bis zur Eskalation oder bis zur Katastrophe zunehmen.56 Die politische Situation verlangt unbedingt ein politisches Verfahren, das die betroffenen Staaten geradezu zwingt, die Krisen in geregelten Streitdialogen zu führen und diese auch durch definitive Entscheidungen zu lösen. Sich einem solchen Verfahren zu entziehen, sich zu stellen, sollte keinem Staat erlaubt möglich sein. Obgleich Interessenverfolgungsinstitute innerhalb einer Rechtsordnung die Ausnahme sind, beseitigen sie dennoch den Kriegszustand schon allein deshalb, weil die Anwendung der Gewalt zur Verfolgung dieser Interessen verbannt ist. Die politische Verfahrensordnung wird dazu führen, dass vitale und überwiegende, d.h. auch globale, Interessen durchgesetzt werden können und es sich kein Staat mehr leisten kann, sich an der Lösung der Weltprobleme zu verweigern, denn sie begründet effektiv die Verantwortung aller Staaten für unsere Erde.
f. (Wirkung der politischen Verfahrensordnung auf privat geübte Gewalt).
Da die bisherigen Kriegsverbote des Kellogg-Paktes und der UNO-Charta sich nur gegen die Staaten richten, fühlen sich die Privaten nicht angesprochen und sehen sich deshalb mehr oder weniger berechtigt, im internationalen Raum ihre Rechte und Interessen mit versteckter Gewalt durchzusetzen. Das sind die Terror- und Verbrecherorganisationen. Großunternehmen und Konzerne üben ihre Macht selten durch direkte
55 Siehe B V 4 b bb
56 Siehe B V 5
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militärische Gewalt aus. Durch ihre Wirtschafts- und Finanzkraft können sie aber die Staaten in wirtschaftliche und damit zivilisatorische Chaos führen. Verbrecher und Terroristen können und sollten nur von dem Staat an der Gewaltausübung gehindert werden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen und von dem sie aus operieren. Das kann die Staatengemeinschaft nur, wenn sie dazu eine ausdrückliche Befugnis erhält. Der Macht und Gewalt der Staaten haben sich die international operierenden privat organisierten Gewaltgruppierungen und Individuen längst entzogen.57 Wenn nun der Krieg durch ein politisches gewaltloses Interessendurchsetzungsverfahren ersetzt wird, das durch ein wirksames Aggressionsverhinderungsverfahren zu ergänzen ist, wird deutlich gemacht, dass erst recht nicht Private oder private Organisationen berechtigt sein können, zur Durchsetzung ihrer Interessen oder Befriedigung ihrer Ansprüche Gewalt zu gebrauchen. Die Gewalt gegen Minderheiten, Entrechteten oder sonstigen Gruppen wird erst recht wirksam bekämpft sein, wenn die internationale Verfahrensordnung es zulässt, dass auch diese Minderheiten ihre Interessen und Recht gewaltlos durchsetzen können.58 Dies ermöglicht die Verfahrensordnung, wie anderer Stelle aufgezeigt werden wird.59 Das ist ein Grund dafür, dass die Existenz einer politischen Verfahrensordnung entscheidend dazu beitragen wird, dass auch die Gewalt der Privaten aus den internationalen Beziehungen eliminiert wird. Es ist davon auszugehen, dass sich die Staaten zum Schutz ihres Gewaltmonopols solidarisieren, um jede dem Monopol widersprechende Gewalt zu verhindern.
g. (Die politische Verfahrensordnung als politisches Spiel)
Wenn nach von Clausewitz der Krieg mit einem Spiel zu vergleichen und er zugleich nichts anderes ist, als die Fortsetzung der Politik, so ist die Politik ebenfalls ein Spiel. Dem Krieg sind aber, wie bereits ausgeführt, die Spielregeln weitgehend abhanden gekommen,60 denn die Gewaltmittel bestimmen weitgehend die für ihn geltenden Regeln. Für das politische Spiel hat man noch keine Regeln gefunden, jedenfalls nicht solche, die den Anfang, den Ablauf der Verhandlung und deren Ende genau festlegen. Erst dann kann man eigentlich von einem Spiel sprechen. Der Krieg dagegen hat sich selbst insofern diesen Charakter des Spiels insofern erhalten, als er zumindest den Anfang (Angriff), den Ablauf (Einsatz von optimal wirksamen Gewaltmittel) das Ende (Vernichtung des Gegners) als Verfahrensmomente noch enthält.61 Den Staaten müssen also, wenn sie ihre Interessen, die immer mehr die Erhaltung ihrer Existenz zu Gegenstand haben, durchsetzen wollen, entweder ein mörderisches oder ein chaotisches oder ein nicht zum Ziel führendes Spiel führen. Die Erkenntnis, dass das mörderische Spiel nicht mehr zu spielen ist und deshalb das gewaltlose Spiel der Politik endlich gefunden werden muss, ist
57 Siehe D I 14 und C I und II
58 Siehe J IV 6 und 7
59 Siehe J IV 7 a
60 B V 3 und B V 21 b
61 Siehe B V 2, 4, 24
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wohl inzwischen Allgemeingut.62 „Was das Staatensystem aufrechterhält,…. ist das Spiel der Verhandlungen“, meint Jean Jacques Rousseau.“63
h. Dogmatische Einordnung der politischen Verfahrensordnung.
Die internationale Verfahrensordnung, die den Krieg ersetzen soll, ist dogmatisch dem Kriegsverhinderungsrecht zuzuordnen, insbesondere dann, wenn man das Aggressionsverhinderungsrecht64 hinzunimmt. Sie erfüllt das Gebot des Art.2 Ziff. 3 UC alle Streitigkeiten gewaltlos auszutragen. Das noch geltende Kriegsverhinderungsrecht beschränkte sich darauf, normierte Möglichkeiten zu schaffen, wie auf einen Krieg reagiert werden sollte. Entsprechend verfuhr bisher die Kriegsverhinderungspolitik. Man bereitete sich derart massiv auf einen kriegerischen Konflikt vor, dass es keiner wagen würde, anzugreifen. Die Möglichkeiten, Kriege zu verhindern, setzten demnach zu spät ein. Das internationale Recht muss deshalb mehr vorbeugend sein, d.h. es muss Bewältigungsmöglichkeiten von Krisen, die zum gewaltsamen Krieg führen können, und Möglichkeiten internationale Probleme gewaltlos zu lösen, anbietend aufzeigen.
Durch die politische Verfahrensordnung wird sich der zivilisatorische Prozess in Richtung zu mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit entscheidend beschleunigen. Nur eine Rechtsordnung, die diesen Prozess zulässt und fördert, kann zum ewigen Frieden führen, wie Papst Johannes XXIII in seiner Enzyklika Pacem in Terris ausgeführt hat.65
i. Garantie des Souveränitätsdogmas
Bei Schaffung einer internationalen Friedensordnung, die, wie gesagt, eine politische Verfahrensordnung sein muss und kein Organisationsstatut, geht von dem positiven Souveränitätsdogma aus. Dieses besagt, dass jeder Staat nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, für die Erhaltung des Friedens, der Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Sorge zu tragen und zwar nicht nur auf seinem Territorium, sondern überall.66 Das einzige Übel, das das positive Souveränitätsdogma in Verruf gebracht hat, besteht darin, dass der Staat bisher darauf angewiesen ist, einen in seinen Augen berechtigtes Anliegen außerhalb seines Territoriums durch eigene Gewalt, d.h. notfalls durch Krieg, durchzusetzen, wenn man seinem Anliegen nicht entspricht oder sich seinen Interesse widersetzt. Dieser Makel des Souveränitätsdogmas ist aber beseitigt, wenn nach dem neu zu findenden gewaltlosen Interessendurchsetzungsinstitut nicht der
62 Vamik D. Voljkan, a.a.O. S. 26
63 Jean Jacques Rousseau, Auszug aus dem Plan des Herrn Abbe de Saint-Pierre 1756/1761 in Ewiger Frieden,
Raumer-Verlag Karl Alber, Freiburg 1953, S. 351
64 Siehe J V
65 Wolfgang Ockenfels, Über Friedenswerte ins Gespräch kommen, Rheinischer Merkur, Nr. 17/05, S. 25
66 Siehe B III 3 c
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Staat obsiegt, der über die wirksamsten Gewaltmittel verfügt, sondern der, der objektiv berechtigte und überwiegende Interessen verfolgt. 67
Da die Souveränität nicht länger von der militärischen Potenz eines Staates abhängt, können auch kleine Staaten gegenüber größeren in diesem Verfahren erfolgreich sein. Die Integration der europäischen Staaten zur EU hat bewirkt, dass wenigstens in Europa die Staaten gleichberechtigt und gleich geachtet sind. Allein schon damit hat man erreicht, dass innerhalb dieser Gemeinschaft nicht mehr nur um die eigene Macht und das eigene Interesse gekämpft werden muss, sondern mehr um die Sache.
Die formelle Gleichheit der Staaten ist daher einer die wichtigsten Voraussetzungen für eine internationale Friedensordnung.68 69
Die Pluralität der Lösungsversuche für die Menschheitsprobleme bliebe durch die große Anzahl der souveränen Staaten gewährleistet. Da außerhalb einer Rechtsordnung die Gewaltmittel ach dann politische Wirkung zeigen, wenn sie nicht zum Einsatz kommen, wenn ihre Existenz dem politisch Agierenden aber bewusst ist, spielen diese Gewaltmittel keine Rolle mehr, wenn den Politikern bei ihren Verhandlungen wissen, dass sie notfalls über die politische Verfahrensordnung ihre Ziele erreichen können. Sie müssen also nicht mehr auf ihr militärisches Potential vertrauen, im Gegenteil sie würden dann mit Sicherheit sich selbst in den Abgrund stürzen. Abgesehen davon, dass politische Ziele in unserer Zeit nicht mehr mit Militärgewalt erreicht werden können, hätten sie auf Grund eines effektiven Aggressionsverhinderungsverfahren, sämtlich Staaten zum Kriegsgegner. In der politischen Verfahrensordnung wird die Kriegskunst, also die Kunst, geschickt das Waffenpotential zu nutzen, durch die Verhandlungskunst ersetzt. Es käme dann auf das geschickte Taktieren innerhalb des Verfahrens an. Auch das Selbstbewusstsein eines jeden Staates und Volkes könnte auf diese Art gefördert werden. Integrationsprozesse würden überflüssig; der Staat würde gegenüber der Privatmacht wieder das notwendige Gegengewicht erhalten.
Allerdings würde das negative Souveränitätsdogma, das durch Art. 2 Ziff 4 und 7 den Staaten garantiert ist, d.h. kein Staat ist berechtigt, in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staaten einzumischen, auch gewahrt. Doch wird schon heute jedem Staate das Recht abgesprochen, Teile seiner Bevölkerung mit kriegerischer Gewalt zu unterdrücken oder Genozid zu begehen70.
j. Keine ideologische oder religiöse Festlegung
Die politische Verfahrensordnung propagiert weder den Geist einer bestimmten Ideologie noch einer Religion, gibt aber freien Raum für die Durchsetzung und Verfolgung jeden Interesses, sei es wirtschaftlich,
67 Die Pazifisten sollten anstelle der Losung, nie wieder Krieg, als neue Losung, nie wieder Aggression, nie
wieder Eroberung, nie wieder gewaltsame Grenzveränderungen herausgeben. Peter Schneider, Krieg
und Frieden, Die Zeit,Nr.26/98, S.11
68 Hans-Dietrich Genscher im Interview, „Modell für eine Friedensordnung“, NWZ, Nr.68, S. 707, S. 5
69 Andrea Böhm, Wie Herr Toribiong die Welt sieht, Die Zeit, Nr.44/09, S. 10
70 Siehe F II 2 a bb bbb
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moralisch, religiös oder machtpolitisch begründet. Sie bietet somit jedem Staat eine Chance, politisch wirksam sein zu können, und garantiert insbesondere jedem, seine Existenz, gleich welche Kultur er hat und welche religiöse Überzeugung in der Bevölkerung überwiegend vertreten wird. Auch die Verfassung eines Staates spielt keine Rolle, auch wenn die Inanspruchnahme der politischen Verfahrensordnung und insbesondere die diese begleitenden Statuten die Staaten auf ihrem Weg zur Rechtsstaatlichkeit drängen und fördern werden.71 Allerdings ist eine derartige Verfahrensordnung im Geist westlicher Aufklärung und Liberalität konzipiert72 und könnte daher von Staaten, die in religiöser Beziehung fundamentalistisch orientiert sind, abgelehnt werden. Es bleibt aber zu hoffen, dass sie in der Verfahrensordnung auch ein Instrument erkennen, mit dem sie religiös oder ideologisch begründete Interessen durchsetzen können, wie sie zuvor schon das westliche Know-how in der Waffentechnik und Kriegführung ohne Zögern für sich in Anspruch genommen haben.
Allerdings kann ihnen bei der Durchsetzung religiöser fundamentalistischer und extremistischer Ziele ein Erfolg nicht versprochen werden. Ihre Macht wird im Rahmen einer offenen liberalen Rechtsordnung schwinden, ihre Gewalt wird als illegitim verfolgt werden.
k. Vergleichbarkeit der politischen Verfahrensordnung mit dem Krieg
Nicht nur die Macht eines Staates als ein wichtiger zumindest mittelbarer Faktor für den Ausgang eines Krieges sollte in das gewaltlose Interessenverfolgungsinstitut übernommen werden, sondern auch in abgeänderter Form die übrigen Faktoren, die für den positiven Ausgang eines Krieges wichtig waren.
Wenn das politische Verfahren wirklich den Krieg ersetzen soll, so muss dieser Ersatz nicht etwas ganz anderes als dieser sein, sondern ein dem alten und überholten Institut entsprechendes. Nur dann hat die Verfahrensordnung eine Chance, von den Staaten zur Verfolgung ihrer Interessen auch in Anspruch genommen zu werden.
Nach von Clausewitz sind es folgende Faktoren, die den Krieg ausmachen:
1.) die Kriegskunst
2.) die Gewaltmittel
3.) die Leidenschaft
4.) der Zufall (Macht des Schicksals oder Gottes)
5.) Selbstlösung des Konfliktes73
Natürlich müssen die genannten Faktoren, wenn sie in das gewaltlose Institut übernommen werden, gewisse Anpassungen und Veränderungen erfahren.
So wird die Kriegskunst zum Verhandlungsgeschick vor dem IGH (die erste Verfahrensstufe und der Generalversammlung (2.Verfahrensstufe)
71 Siehe J IV 5 und 6
72 Siehe oben. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf der Schrift, Zum ewigen Frieden, von Immanuel Kant
73 Siehe hierzu B V 22 b (Im Krieg siegt nur der von Gott begünstigte)
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sowie zur Kampfes- oder Spielstrategie bei den Wettkämpfen oder Spielen (dritte Verfahrensstufe der Alternativvorschläge) und zur Beherrschung der Kampfes bzw. der Spielregeln74. Die Gewaltmittel werden zur Macht, die Leidenschaft wird zum Engagement der Kämpfer und Vertreter der Staaten vor der Generalversammlung und dem IGH. Das Kriegsglück (Zufall) wird zum Kampfes-, Spiel- und Verhandlungsglück.
Zu 2.) Die Gewaltmittel des Krieges werden insbesondere in der 2. und 3. Verfahrensstufe durch Machtmittel ersetzt.75 Nach dem Entwurf ist es nämlich durchaus legitim, Mitgliedstaaten in der Generalversammlung durch materielle Zuwendungen oder politische Konzessionen als Streitgenossen für sich zu gewinnen. Ebenso wird nur ein mächtiger Staat in der Lage sein, Spieler oder Wettkämpfer gut auszubilden oder sie für sich zu gewinnen.
Zu 3.) Die Leidenschaften für die eine oder andere Partei werden sicherlich im ausreichenden Maße geweckt, wenn alle Verhandlungsstufen medienöffentlich gezeigt werden. So wird die Bevölkerung der ganzen Welt darauf achten, dass es gerecht zugeht und der Verlierer, insbesondere die Nation wird die Niederlage akzeptieren können. Für diese Akzeptanz wäre insbesondere die dritte Verhandlungsstufe, das Spiel oder der Wettkampf notwendig76,vorausgesetzt die Politiker hätten die notwendig Einsicht, derartige Spiele und Wettkämpfe als letzte Stufe des Verfahrens zu akzeptieren. .
Zu 4.) Dasselbe gilt aber auch für den oben genannten irrationalen Faktor des Krieges, den Zufall77, denn es gibt kaum ein Spiel oder einen Wettkampf, in dem nicht der Zufall eine wichtige Rolle spielt.
Auch dieser Faktor ist in das gewaltlose Interessenverfolgungsinstitut zu übernehmenden, obgleich er nicht rational zu sein scheint. Der Krieg wird von vielen Völkern als Gottesbeweis, – urteil und Schicksalsprobe für ihre Existenz, ihre Einzigartigkeit und die Berechtigung ihrer Kriegsziele gesehen.78 Es ist gerade diese irrationale Begründung des Krieges, die zur Akzeptanz des Sieges oder der Niederlage führt. Diese irrationale Begründung ist es letztlich auch, die die Mitwirkung und den Einsatz aller Bürger der am Krieg beteiligten Staaten erfordert und gewissermaßen jeden Krieg zu einem totalen werden lässt. Will man den Krieg abschaffen, muss man sich auf derartige Irrationalitäten einlassen79.
Zu 5.) Der Krieg ist das einzige Verfahren, in dem die Verfahrensbeteiligten als die Kriegsteilnehmer über den Ausgang des Krieges, also wer Sieger oder Verlierer ist bestimmen, von den Schicksalsmächten einmal abgesehen. Es gibt also keine neutrale Instanz, die über den Ausgang des Krieges entscheidet. Obgleich in den
74 Allerdings ist diese Verfahrensstufe als reguläre aus dem Verfahren herausgenommen und wird nur noch als Alternativvorschlag angeboten. Siehe J IV 3
75 Siehe dazu K I 1 c
76 Wie gesagt, der Autor musste erfahren, dass die Zeit noch nicht dafür reif ist, diese Verfahrensstufe zum notwendigen Bestandteil des politischen Verfahrens zu machen, so dass sie zurzeit nur in konkreten Fällen den Parteien zur Wahl anboten werden kann. Siehe J IV 3
77 Siehe B V 22 c
78 Siehe B V 22 b
79 Sibylle Tönnies, Auch Soldaten sind Menschen, Emma 3/03, S. 60
.
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Zwischenverfahren und in der ersten Verfahrensstufe Entscheidungen des Generalsekretärs und des IGH getroffen werden, bleiben die Parteien auch in der politischen Verfahrensordnung immer Herrscher des Verfahrens, d.h. sie haben es durch eigene Verfahrensstrategie in der Hand, wie das Verfahren enden soll und zwar sogar besser, als in dem gewaltsamen Krieg. Während der fordernde Staat jederzeit die Forderung zurücknehmen oder reduzieren kann, kann der Staat, der einen Krieg begonnen hat, nur noch kapitulieren, um den Krieg zu beenden. Der gegnerische Staat muss noch nicht einmal die Kapitulation annehmen. Er kann seinen Gegner vernichten. Das Urteil des IGH muss keine Partei annehmen, auch nicht den Vergleichsvorschlag der Generalsversammlung oder des Sicherheitsrates. Allerdings birgt die Nichtanerkennung des Vergleichsvorschlages ein riesiges Risiko für diese Partei. Dieses Risiko können die Parteien aber abschätzen und entsprechend die Verhandlung führen.
Die Parteiherrschaft wird natürlich offenkundig in der 3. Verhandlungsstufe, in den Alternativvorschlägen. In diesen Verhandlungsstufen ist das politische Verfahren am besten dem Krieg angepasst, denn das Moment des Zufalls im Spielglück entspricht dem Kriegsglück. Die Leistung im Wettkampf entspricht dem Vermögen die Militärgewalt effektiv
2.(Gang des Verfahrens)
Das Verfahren sieht in seinem Fortgang 2 Stufen vor. Die erste findet vor dem IGH statt, die zweite vor der Generalversammlung.80 Zwischen jeder der Verfahrensstufen gibt es Zwischenverfahren vor dem Generalsekretär der UNO, in denen die Überleitungen von einer Verfahrensstufe in die andere vorgenommen und auch gewisse formelle Voraussetzungen geprüft werden.
a. 1. Zwischenverfahren
Das Verfahren beginnt damit, dass ein Staat an einen anderen Staat mehrere andere eine Forderungsschrift an den Generalsekretär der UNO schickt. In dieser Forderungsschrift nennt und begründet er eine politischen Ziele, die der andere oder die anderen ihm bisher zu erfüllen verweigert hat oder haben Der Generalsekretär prüft als erstes, ob der Staat, der dieses Verfahren durch die Forderungsschrift eingeleitet hat, zu den Unterzeichnerstaaten des Abkommens gehört, welches das Verfahren statuiert. Gehören der fordernde und der verweigernde Staat nicht zu den Unterzeichnerstaaten, so wird die Forderungsschrift bereits durch den Generalsekretär als unzulässig verworfen, es sei denn, die Staaten unterzeichnet innerhalb einer ihnen gesetzten Frist das Verfahrensabkommen (FO). Die politische Verfahrensordnung soll die
80 Ursprünglich hatte das Verfahren drei Stufen Die Dritte bestand aus Spielen und Wettkämpfen. Hierzu siehe
J IV 2
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Staaten ausschließlich begünstigen. Kein Staat soll dabei zu seinem Glück gezwungen werden.81
Ebenso verwirft der Generalsekretär die Forderungsschrift in dem 1. Zwischenverfahren als unzulässig, wenn ihr die formellen Voraussetzungen, wie die konkrete Nennung des Geforderten und die Verfahrensgründen fehlen. Auch wird die Forderungsschrift bereits von ihm als unzulässig verworfen, wenn der Staat nicht die jährlich feierliche Erklärung abgegeben hat, auf den gewaltsamen Krieg zu verzichten und für den Fall, dass er dennoch zur militärischen Gewalt gegriffen hat, diese sich gegen alle Staaten richten soll. Allerdings kann ihm der Generalsekretär, wie oben schon ausgeführt, zum Nachholen dieser Erklärung eine Frist von einer Woche setzen. Das Verfahren kann schon beim Generalsekretär positiv enden, wenn der verweigernde Staat das Geforderte des erklärenden anerkennt. Der fordernde Staat erhält dann bereits eine Urkunde, die für ihn vollstreckbar ist.
Wird das Anerkenntnis verweigert, widerspricht der verweigernde Staat der Forderungsschrift, so gibt der Generalsekretär zum Abschluss des ersten Zwischenverfahrens an den IGH ab.
b. Die erste Verfahrensstufe
Vor ihm findet die erste Verfahrensstufe statt.
Vor dem IGH wird nun die Begründetheit der Forderung geprüft. Dazu gehört die Beantwortung der Fragen, ob ein Verfahrensgrund tatsächlich vorliegt und ob begründete einfache, überwiegende oder vitale Interessen verfolgt werden.
Ein Verfahrensgrund liegt vor, wenn der Staat seine Ziele nicht anders als durch politische Verfahren verwirklichen kann. Das entspricht dem Rechtsschutzbedürfnis eines Zivilprozesses. So ist der Verfahrensgrund zu versagen, wenn der fordernde Staat seine Ziele durch ein ordentliches Verfahren vor dem IGH verwirklichen kann. Hierzu ist zu sagen, dass das Statut für den IGH insofern geändert und ergänzt werden sollte, als jeder Staat jeden anderen auf die Erfüllung von Rechtsverpflichtungen verklagen kann. Ein Verfahrensgrund entfällt natürlich auch dann, wenn wegen der gleichen Forderungen bereits ein politisches Verfahren durchgeführt worden ist. Werden allerdings vitale Interessen verfolgt und hat der fordernde Staat das vorhergehende Verfahren in der dritten Verfahrensstufe82, die auf seinen Antrag stattfand, verloren, so entfällt für das zweite Verfahren der Verfahrensgrund nicht. Er hat also noch einmal eine Chance. Verneint des IGH das Vorliegen eines Verfahrensgrundes so
81 Siehe hierzu J V 2. Im Gegensatz zu dem politischen Verfahren kann sich dem Aggressionsverhinderungsverfahren niemand entziehen. Wird gegen einen Nichtunterzeichnerstaat die passive Kriegserklärung mit der Behauptung abgegeben, der beschuldigte Staat habe einen militärischen Überfall begangen, so bleibt der Widerspruch des beschuldigten Staates dagegen unbeachtlich, weil er nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehört. Er wird so behandelt, als ob die Behauptung des erklärenden Staates zuträfe, mit der Folge, dass sich der Beschuldigte mit allen Staaten im Kriegszustand befindet. Nach Meinung des Verfassers reicht diese Gefahr, in die sich jeder Staat begibt, wenn der die FO nicht unterzeichnet, um alle Staaten zur Unterzeichnung des FO zu bewegen.
82 Falls die Staaten sich dazu entschließen die dritte Verfahrensstufe überhaupt in die FO aufzunehmen.
Siehe hierzu J IV 3 a
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gibt er das Verfahren an den Generalsekretär zurück, damit dieser es auf Kosten des fordernden Staates einstellt.
Die geltend gemachten und nun zu überprüfenden Interessen müssen auf den Verfahrensgegner bezogen sein, d.h. es müssen geographische, ökologische, ökonomische, soziale oder kulturelle Gründe dafür angeführt werden, warum gerade dieser Verfahrensgegner die Forderungen erfüllen soll. Es reicht insofern aus, dass er unter anderen Staaten den Forderungen nachgeben kann. Ist zum Beispiel Brasilien verklagt, weil der Staat es zulässt, dass seine Urwälder abgebrannt werden und er so das Klima auch zum Nachteil des erklärenden Staates verändert, so wird Brasilien sich nicht darauf berufen können, dass dergleichen auch in Indonesien geschieht. Hat der Verfahrensgegner überwiegende oder auch nur gleichrangige Interessen, die der Erfüllung seiner Forderungen entgegenstehen, so wird sein Forderungsbegehren abgewiesen. Das Interesse des fordernden Staates muss größer sein, als das des verweigernden Staates, um als begründet angesehen werden zu können. Hat der verweigernde Staat vitale Interessen, die den Interessen des fordernden Staates entgegenstehen, so wird sein Begehren sogar dann zurückgewiesen, wenn auch die Interessen des fordernden Staates vital, d.h. ebenfalls existenzwichtig sind.
Der IGH stellt nur dann eine Forderung als berechtigt fest, wenn die fordernde Partei auf einen internationalen Rechtsanspruch auf Erfüllung ihrer Forderungen hat. Das wird aber die große Ausnahme sein. In der Regel wird das Gericht nur eine Interessenabwägung vornehmen und entscheiden, dass beide Staaten an der Erfüllung und Verweigerung ein gleichwertiges Interesse haben, oder das nur ein Interesse an der Verwirklichung der Forderungsziele besteht und kein gleichwertiges zur Verweigerung entgegensteht oder dass das Interesse der einen Partei dem des Gegeninteresse überragt oder dass eine Partei entweder ein vitales Interesse zu Verwirklichung der Forderungen oder zur Verweigerung derselben hat. Bei der Interessenabwägung kann natürlich der IGH das Geforderte dem fordernden Staat nur insoweit zusprechen, soweit ein überwiegendes Interesse des verweigernden Staates nicht entgegen steht, d.h. der IGH kann differenziert entscheiden, er muss nicht ganz zusprechen oder ganz abweisen. Der politische Verfahren ist wie der Krieg ein Rechtsbeschaffungsinstitut, d.h. erst am Endes des Verfahrens bekommt der fordernde Staat seine Forderungen als Rechtsansprüche zugewiesen oder der verweigernde Staat erhält die verbindliche Erklärung, dass gegen ihn die geltend gemachten Ansprüche nicht erhoben werden können.
Natürlich können die Parteien vor dem IGH einen Vergleich abschließen. Auch kann die verweigernde Partei ein Anerkenntnis abgeben. Sonst entscheidet der IGH durch Urteil mit Kostenentscheidung. Sind die Forderungen für berechtigt erklärt worden, so ist das Urteil insofern vollstreckbar, es sei denn, eine der Parteien wünscht die Fortsetzung des Verfahrens. In einem neuen Zwischenverfahren vor dem Generalsekretär
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wird dann die Sache zur weiteren Verhandlung vor der Generalversammlung der UNO verwiesen.
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c. 2. Zwischenverfahren
Die Frage, welche Interessen überwiegend sind, die des fordernden oder verweigernden Staates, wird letztlich in der Generalversammlung, auf der zweiten Verfahrensstufe, entschieden, deren eigentliche Aufgabe aber darin besteht, ein Vergleich zur Lösung der Krise zu erarbeiten. Der Generalversammlung wird in dem zweiten Zwischenverfahren das Verfahren auf Antrag vom Generalsekretär nur einer der Parteien zugeleitet. Die Parteien können allerdings auch anstelle der Generalsversammlung den Sicherheitsrat als weitere Verfahrensinstanz wählen. Der Generalsekretär stellt das Verfahren auf Kosten des fordernden Staates ein, wenn der IGH festgestellt hat, dass ein Forderungsgrund nicht vorliegt. Wollen beide Parteien nicht die Fortsetzung des Verfahrens, so gilt das Urteil des IGH und das Verfahren ist dann damit beendet.
Die Generalversammlung oder nach Wahl der Parteien der Sicherheitsrat entscheidet also nicht, sondern versucht die Krise zwischen den Parteien durch Vergleich zu beenden. Grundsätzlich engt ein Verfahren, das nur mit einer Entscheidung des Verfahrensleiters endet, den Streitkomplex einer politischen Krise ein, weil der Streitstoff durch die Anträge begrenzt oder durch die Ziele reduziert wird. Muss der Verfahrensleiter wie bei einem Mediationsverfahren in einem Vergleich alle politischen Aspekte einer Krise mit bedenken, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frieden zwischen den Kriegsparteien eintritt, bei diesem Ende des Verfahrens weitaus größer, als das bei einer Entscheidung der Fall wäre.
d. Die zweite Verfahrensstufe
Welche Interessen überwiegen, wird sich in der Generalversammlung oder im Sicherheitsrat schnell herausstellen, denn wer die Mehrzahl der Streitgenossen auf seiner Seite hat, wird wohl die überwiegenden Interessen vertreten. Zu Beginn des Verfahrens entscheidet jeder Staat, welche der streitenden Parteien er in dem Verfahren unterstützen will. Will er keine Partei unterstützen, so erklärt er sich für neutral. Die jeweiligen Unterstützer der Parteien werden deren Streithelfer. Die Generalversammlung teilt sich also in drei verschiedene Gruppen: Eine Gruppe als Streithelfer für den fordernden, eine Gruppe für den verweigernden Staat und eine Gruppe neutraler Staaten. Die Parteistaaten haben jeweils in der Versammlung, in der ihre Streithelfer agieren, nur eine Stimme und zwar auch dann, wenn mehrere Staaten Fordernde oder Verweigernde sind und sie mit gleich lautenden Anträgen fordern oder gefordert werden. So ist es möglich, dass ein Inselstaat, der durch die Klimaveränderungen und des damit verbundenen Anstiegs der Meeresspiegel in den Fluten unterzugehen droht, alle Industriestaaten als
83 Wegen der Alternativvorschläge zur 3. Verfahrensstufe Siehe J VI 3
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Emissionsverursacher fordern kann. Hätte in der Versammlung jeder der Verweigerungsstreithelfer oder jeder der geforderten Staaten eine Stimme, so hätte der bedrohte Inselstaat mit seiner einzigen Gegenstimme keine Chance
Die Interessen der übrigen Staaten werden über ihre Streithilfe auch zum Gegenstand des Verfahrens, mit der Folge, dass praktisch jedes Verfahren zur Verwirklichung der Allgemeininteressen beiträgt, wie das jetzt im politischen Agieren über die internationalen Institutionen der Fall ist.84 Die Welt ist durch die Globalität der Wirtschaft, der Informations- und Kommunikationswege und der Verkehrswege einfach zu klein geworden, als dass eine internationale Krise allein von den unmittelbar betroffenen Staaten gelöst werden kann. Auch ein gewaltsamer Krieg veränderte nicht nur den politischen Status der Krieg führenden Parteien, sondern das Umfeld fast aller Staaten85. So ist im Jahre 2004 der israelische Ministerpräsident mit seinem damaligen neuen Friedensplan (Räumung des Gazastreifens auch von israelischen Siedlungen) allein deswegen in die Kritik geraten, weil er diesen Plan ohne Mitwirkung der arabischen und europäischen Nationen sowie der U.S.A. erarbeitet und der Öffentlichkeit präsentiert hatte.86
Nachdem sich die Generalversammlung in die erwähnten drei Gruppen geteilt hat, wird das Verfahren wie folgt fortgesetzt: Es entwirft allein die Gruppe der neutralen Staaten einen Vergleich. Über diesen Entwurf beraten dann in getrennten Sitzungen die zwei Gruppen der Streitgenossenstaaten, also die Staaten, die eine bestimmte Partei favorisieren, mit ihren Parteien und machen dann Abänderungsvorschläge. In einer Plenarversammlung wird nachfolgend über den ersten Entwurf der neutralen Staaten und die Abänderungsvorschläge der Streitgenossen beraten und dahingehend beschlossen, ob sie verworfen oder mit oder ohne Änderung in den Vergleichsentwurf aufgenommen werden sollen. Die Plenarversammlung ist gezwungen zu einem Ergebnis zu kommen. Findet kein Abänderungsvorschlag eine Mehrheit, so gilt der Vergleichsentwurf der neutralen Staaten.
e. 3. Zwischenverfahren
Das Ende der zweiten Verhandlungsstufe fällt verhältnismäßig rigoros aus87, wenn die Staaten nicht einen der Alternativvorschläge zur 3. Verhandlungsstufe akzeptieren.
Nimmt nämlich allein der fordernde Staat den Vergleichsvorschlag an, so fertigt der Generalsekretär in dem dritten Zwischenverfahren eine Vollstreckungsurkunde mit den ursprünglichen Verfahrenszielen. Ist es der verweigernde Staat, der allein den Vergleichsvorschlag annimmt, so hat der fordernde Staat den Prozess verloren. Seine Forderung wird zurückgewiesen und er muss die Kosten des Verfahrens tragen, wie im
84 Bernhard Zangl und Michael Zürn, Frieden und Krieg, S. 131
85 Siehe hierzu B VI 25
86 Josef Joffe, Fahrplan-Änderung, Die Zeit, Nr. 18/04, S. 1
87 Unter anderem aus diesem Grunde war ursprünglich auch die 3 Verfahrensstufe vorgesehen, die jetzt nur noch
alternativ den Parteien zur Verfügung steht, wenn sie sie übereinstimmend wolle.
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vorher genannten Fall der verweigernde Staat die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte. Akzeptieren nun die Parteien die Entscheidung des IGH oder einigen sie sich auf den Vergleichsvorschlag der neutralen Staaten, denn stellt der Generalsekretär für diese Entscheidungen vollstreckbare Urkunden aus und lässt diese den Parteien zur Beendigung des Verfahrens zukommen. Hat der IGH festgestellt hat, dass der Vergleichsvorschlag gegen die vitalen Interessen einer der Parteien verstößt, ist das Verfahren noch nicht beendet. In diesem Fall gibt der Generalsekretär zur erneuten Verhandlung an die Generalversammlung zurück. So beginnt praktisch das Verfahren in der zweiten Verhandlungsstufe neu.
Hat keine der Parteien den Vergleichsvorschlag angenommen, so stellt der Generalsekretär das Verfahren auf Kosten der Parteien mit der Auflage an den fordernden Staat ein, innerhalb der nächsten 10 Jahre die Forderungen an den verweigernden Staat nicht erneut stellen zu dürfen. Allerdings können die Parteien übereinstimmend beantragen, dass die 2. Verhandlungsstufe erneut durchgeführt wird. Eine dritte Wiederholung dieser zweiten Verhandlungsstufe gibt es dann allerdings nicht mehr.
. Das Verfahren ist so gestaltet, dass auf der einen Seite jede der beiden Parteien ein erhebliches Risiko trägt, wenn sie den Vergleichsvorschlag nicht annimmt, und dass auf der anderen Seite weitgehend verhindert wird, dass vitale Interessen verletzt werden.
Wird der Vergleichsvorschlag angenommen, dann wird wieder eine vom Generalsekretär vollstreckbare Urkunde hergestellt. Einen Vergleichsvorschlag, der gegen die vitalen Interessen eines Staates verstößt, gibt der Generalsekretär zur Neuberatung an die Generalversammlung zurück. Außerdem kann jede Partei den Vergleichsvorschlag durch Beschwerde beim IGH anfechten, wenn der Vorschlag gegen ihre vitalen Interessen verstößt. Gibt der IGH der Beschwerde statt, so verweist er das Verfahren erneut an die Generalversammlung, wobei diese die Gründe der Entscheidung des IGH beachten muss.
3. Die Alternativvorschläge
Ist der Krieg eine Art Spiel, so kann er durch ein anderes Spiel ersetzt werden. Allerdings wird man sich fragen müssen, warum frühere Generationen nicht diese Einsicht hatten, das Spiel oder den Wettkampf zum Kriegsersatz zu machen. Dahinter steht sicherlich die fatale Einsicht, die auch für den Natur- und Kriegszustand logisch zu begründen ist, dass das Problem mit dem Feind letztlich erst dann beendet ist88, wenn er vernichtet ist. Allein in dieser Erkenntnis akzeptierte man den Krieg als völkerrechtliches Institut und gestaltete es so effektiv wie möglich, indem man Waffen entwickelten, die aus immer größerer Entfernung immer größeren Schaden und Vernichtung anrichteten. Die Krise oder das politische Problem sollte so schnell und so gründlich wie möglich beseitigt werden, denn man wollte so schnell wie möglich den Sieg feiern und den
88 Siehe B III 3 a
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Frieden wieder hergestellt haben. Das sah und sieht man leider immer noch als Fortschritt. Diese Erkenntnis mag man für vergangene Zeiten, in denen die Erde noch genug Raum bot, um seine Gewaltmittel ohne Selbstschädigung einzusetzen, für vertretbar halten können, nicht aber für die Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg, in dem die Atombombe zum Einsatz kam, nicht mehr nach dem Verwüstungskrieg in Vietnam und erst recht nicht mehr nach dem gescheiterten Feldzügen der U.S.A. in den Irak und Afghanistan. Man wird nicht umhin können, festzustellen, dass der Mensch auf der Höhe seiner Zivilisation – fast schon lächerlicherweise – im Krisenmanagement bisher so unfähig war. Politiker in ihrer zur Schau gestellten Ernsthaftigkeit und Würde werden sich schwer tun, das mörderische Spiel Krieg durch ein geregeltes, gewaltloses Spiel zu ersetzen89. Erst im Krieg können sie die ganze Macht ihres Wirkens demonstrieren, indem sie das Leben tausender Menschen, Kulturgüter und ganze Regionen vernichten und dabei noch den Krieg als Rechtfertigungstatbestand für sich in Anspruch nehmen. Solche Wirkungen menschlichen Handelns sind einmalig; sie garantieren die Unsterblichkeit. Es erfordert schon große Charakterstärke, solch eine Gelegenheit der bleibenden Selbstdarstellung zu verpassen.
Wenn die Politiker die hier vorgestellte FO für ihre Staaten akzeptieren, sie also den Krieg durch ein gewaltloses und insofern nicht so spektakuläres Spiel ersetzen, so sicherlich deshalb, weil sie damit nicht nur sich, sondern gerade auch ihren Kollegen die Chance verderben, als Sieger eines gewaltsamen Krieges in die Geschichte einen rühmlichen Eingang zu finden..
Auf jeden Fall ist der Vorschlag, in die politische Verfahrensordnung einen Wettkampf oder ein Spiel zu integrieren, außergewöhnlich und insofern
und zurzeit noch nicht durchzusetzen. Ich selbst hoffe, dass Politiker späterer Generationen sie in die FO implantieren, wenn die Politiker unserer Generation sich der FO annehmen und sie Wirklichkeit werden lassen.
Nach dem 2. Alternativvorschlag wird das Verfahren durch Krieg entschieden. Allerdings kann der Krieg nur innerhalb eines Manövers oder virtuell durchgeführt werden, d.h. es gibt keine Verletzungen Zerstörungen und keine Todesfälle. Dieser Vorschlag ist für die Politiker und vor allem Regierungen gemacht worden, die eine Verfolgung der Interessen des Landes sich nur durch Krieg vorstellen können und dennoch die zerstörerischen Gewaltauswirkungen nicht für notwendig halten.
a. Der 1. Alternativvorschlag
Ursprünglich war diese 3. Verfahrensstufe direkter Bestandteil des Konzeptes. Durch die Korrespondenz mit Völkerrechtlern und Politikern musste ich aber leider zur Kenntnis nehmen, dass trotz der nachfolgenden Begründung für die Notwendigkeit dieser Phase die Staatengemeinschaft noch nicht bereit sein wird und kann, sich einem derartigen Verfahren zu
89 Ein Völkerrechtler, ich will ihn nicht nennen, nannte den Vorschlag zur 3. Verfahrensstufe, indiskutabel, ein
anderer lächerlich.
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unterwerfen. Sie bleibt deshalb den Parteien nur als Möglichkeit angeboten, wenn die Alternativvorschläge als solche angeboten werden. Man kann sich vorstellen, dass die in einem Verfahren Befangenen für die nachfolgenden Argumente eher zugänglich sein werden.
aa. Das 3. Zwischenverfahren
Nur wenn beide Parteien die dritte Verfahrensstufe durchgeführt wissen will, findet sie statt. Ob die Parteien das wollen, fragt der Generalsekretär die Parteien in dem 3. Zwischenverfahren. Hat sich beide Parteien dafür entschieden, kann sie durchgeführt werden, wenn entweder nur eine Parteien den Vergleichsvorschlag nicht angenommen hat oder beide Parteien den Vergleichsvorschlag nicht akzeptiert haben, es sei denn die Parteien einigen sich auf die Entscheidung des IGH oder den Vorschlag der neutralen Staaten als Endentscheidung oder schließen nach vor Fortsetzung des Verfahrens einen eigenen Vergleich ab. Diese Regelung entspricht der des regulären 3. Zwischenvefahren In diesen Fällen stellt der Generalsekretär für diese Entscheidungen vollstreckbare Urkunden aus.
Durch die öffentlich ausgetragenen Wettkämpfe und –spiele soll dokumentiert werden, dass die Partei das, was sie forderten oder gegen das sie sich gewehrt haben, auch als eigene Leistung erkämpft hat und dass die Endentscheidungen keine Fremdentscheidungen sind.90
Nachdem feststeht, dass die Parteien die 3. Verhandlungsstufe in Form eines Wettkampfes oder Wettspiels fortsetzen wollen, bestimmt der Generalsekretär, welche Partei die Wahl für die Art, den Ort und die Zeit des Wettkampfes haben soll. Diese Wahl trifft der Generalsekretär nach folgenden Kriterien:
Haben beide Parteien den Vergleichsvorschlag ausgeschlagen, dann bekommt die vorweigernde (beklagte Partei) das Wahlrecht.
Hat allerdings nur eine Partei den Vergleichsvorschlag ausgeschlagen, dann erhält die Partei das Wahlrecht, die den Vergleichsvorschlag akzeptiert hat. Hat allerdings eine der Parteien die Entscheidung des IGH oder den Vergleichsvorschlag der neutralen Staaten oder den Endvergleich akzeptiert, so hat diese Partei das Vorschlagsrecht, allerdings mit der Einschränkung, dass das Ziel des fortgesetzten Verfahrens die Bestätigung der genannten Entscheidungen ist. Akzeptieren die Parteien verschiedene Endscheidungen und setzen auch dies Endscheidungen als Ziel ihres Wettkampfes, dann bekommt die Partei das Wahlrecht, die die spätere Endscheidung akzeptiert. So hat zum Beispiel die Partei, die den Vorschlag der neutralen Staaten akzeptiert hat auch dann das Wahlrecht, wenn die andere Partei die Bestätigung Endscheidung des IGH kämpfen will. Das ist so geregelt, weil in dem Vergleichsvorschlag, der von vielen neutralen Staaten erarbeitet ist allein schon aus diesem Grunde zum Ausdruck
90 Nachfolgend wird die Notwendigkeit für diese Verfahrensstufe näher begründet.
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gebracht ist, dass das Endziel des Vorschlags im überwiegenden Interesse der Staaten liegt.
Die Partei, die das Wahlrecht hat, wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit den Wettkampf oder das Spiel auch gewinnen, da davon auszugehen ist, dass sie das Spiel oder den Wettkampf auswählt, zu dem sie die besten Spieler oder Kämpfer, sicherlich aus dem eignen Land, bestimmen kann.
Verliert der verweigernde Staat das Spiel, so werden die Forderungen im vollen, ursprünglich geltend gemachten Umfang in dieser dritten Verfahrensstufe bestätigt, es sei denn das der fordernde Staat hat lediglich Bestätigung des Urteils des IGH oder einen der Vergleichsvorschläge verfolgt. Hat allerdings der verweigernde Staat eines dieser Ziel verfolgt und das Spiel verloren, so muss der Generalsekretär eine Urkunde zugunsten des fordernden Staates ausstellen, die das ursprüngliche Geforderte vollstreckbar erklärt.
Wie oben schon ausgeführt ist, soll in dem Verfahren vermieden werden, dass Staaten um ihre Existenz kämpfen müssen. Jede Partei hat jederzeit das Recht, einen Vergleichsvorschlag, der gegen ihre vitalen Interessen verstößt, auszuschlagen. Nun kann es aber sein, das der IGH ein Verfahrensziel mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es gegen die vitalen Interessen des verweigernden Staates verstoße, gleichzeitig aber auch festgestellt hat, dass die Nichtverfolgung dieses Ziels auch gegen die vitalen Interessen des fordernden Staates verstoßen würde. In diesem Fall ist das Gericht gezwungen, das Geforderte zurückzuweisen. Es besteht nun aber durchaus die Möglichkeit, dass in diesem Fall, in dem für beide Staaten die Existenz auf dem Spiele steht, die Staaten in einer weiteren Generalversammlung den Parteien einen Vergleich anbieten, der nicht gegen die vitalen Interessen einer Partei verstößt.
Unabhängig von den genannten Regeln zum Vorschlagsrecht hat der Generalsekretär den Wettkampf oder das Spiel so zu bestimmen, wie beide Parteien es übereinstimmend vorgeschlagen haben. Vorschläge, die zur Verletzung der Kämpfer und Spieler führen können, oder die an einem solchem Ort ablaufen sollen, an den die Öffentlichkeit nicht teilhaben kann, muss der Generalsekretär zurückweisen.
bb.(Der Wettkampf, das Spiel)
aaa.)Kampfes- und Spielregeln
Die politische Verfahrensordnung regelt dann noch einen Mindeststandard der Regeln der Spiele: So dürfen keine Wettspiele veranstaltet werden, in denen die Spieler der Kämpfer zwangsläufig körperliche Schaden erleiden können. Ferner regelt das Verfahren, was geschehen soll, wenn die Spiele von Außen gestört werden oder was bei Regelverstößen zu geschehen hat.
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Weiter gibt es Bestimmungen über die oder den Schiedsrichter, die Begutachter der Spiele oder Kämpfe und die möglichen Eingriffe in das Spielgeschehen Die Aufzählung uns Beschreibung der einzelnen Regeln würde den gesetzten Rahmen dieses Essais sprengen.
bbb.) Geeignetheit als Kriegsersatz
Die Ersetzung des gewaltsam ausgetragenen Konflikts durch die Durchführung von Schaukämpfen oder durch Rituale ist weder in der Welt der Tiere noch in der der des Menschen etwas Außergewöhnliches91. Man einigt sich auf ein Ritual, das beruhigt aber zu dem gleichen Ergebnis führt, wie die gewaltsame Auseinandersetzung. Man wechselt sozusagen die Art des Spieles. Das kann man allerdings nur dann, wenn man anstatt der Vernichtung des Gegners nur noch ein politisches Ziel im Auge hat. Das Spiel hat eine andere Realität als das Leben, in dem man einen Existenzkampf führt. Der Krieg wird gerade deshalb als eine Realitätsphase des Lebens gesehen.92 So meint der argentinische Fußballspieler und Trainer Jorge Valdano, ein Fußballmatch wäre kein Spiel mehr, wenn es in ihm um Leben und Tod ginge. Dann würde es aus der Sphäre des Spiels in die Realität zurückgezerrt.93 Dieser Ansicht wird hier nicht gefolgt, denn entscheidend dafür, ob der Krieg seiner Art nach als Spiel gesehen werden kann oder nicht, ist nicht sein Ende oder dessen Qualität, sondern entscheidend ist, dass sich Akteure eines Geschehens zusammen gefunden haben, um in einer gegebene Zeitspanne durch eine bestimmte Handlungsweise zu einem Ergebnis zu gelangen. Man kann auch um sein Leben spielen94 und die Handlung kann auch eine gewaltsame sein.95
Die Völker benötigen eine visuelle Bestätigung, dass der Sieger in der ersten und zweiten Verfahrensstufe zu Recht den Sieg davon getragen und der Unterlegene zu Recht verloren hat. Die dritte Verfahrensstufe soll somit eine sinnvolle Dokumentation des bisherigen Ergebnisses sein, um insbesondere der Regierung des unterlegenen Staates die Möglichkeit zu geben, dass sie alles, was das Völkerrecht zulässt, unternommen hat, den „Krieg“ zu gewinnen. Entscheidend ist, dass es bei der politischen Verfahrensordnung nicht um eine Rechtsdurchsetzung geht, sondern dass, wie im Krieg politische Interessen verfolgt und durchgesetzt werden müssen. Interessen durchzusetzen heißt, seine Position in der Gesellschaft verändern, auf das Schicksal Einfluss nehmen. Wenn man auf diese Veränderung keinen Rechtsanspruch hat, so kann man sich aber im dem Spiel wie im Krieg so darstellen, dass offenkundig wird, vom Schicksal
91 Siehe Rolf Oertel, a.a.O. S. 15 ff
92 Siehe Rolf Oertel, a.a.O. S. 13 ff
93 Jorge Valdano, P.M. Juni 2006, S. 112
94 Siehe B V 22 a
95 Es ist festgestellt worden, dass Terrorristen häufig vor ihrer Entscheidung, sich einer Terrororganisation
anzuschließen, Mitglieder von Fußballvereinen waren oder Gruppierungen angehörten, die sich im
Wettkampf, meistens beim Fußball, zusammen gefunden hatten. (Ingrid Glomp, Was macht junge Männer zu
Terrorristen, Psychologie heute, Nr. 8/11, S. 33)
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begünstigt zu sein. Der Krieg ist wie das Spiel eine Herausforderung des Schicksals und kommt daher einem Gottesbeweis gleich.96
Dass von Clausewitz den Krieg der Art nach als Spiel97 gesehen hat, ist schon erwähnt worden. Anatol Rapaport wertet den Krieg ähnlich. Sein Ziel ist es deshalb, ihn als Krisenlöser auf die Ebene des Spiels in die moderne und zivilisierte Debatte zu heben.98
Im Prinzip besteht die Politik in der Findung eines Interessensausgleichs der politischen Akteure. Dieser Interessenausgleich findet heute schon in den sog. Regimen (Konferenzen) und internationalen Institutionen statt. Zu diesen internationalen Institutionen kann auch eine politische Verfahrensordnung gehören. Aber auch ohne eine solche ausformulierte Verfahrensordnung, laufen die politischen Auseinandersetzungen und Verhandlungen nach Regeln ab, die gewissermaßen den Spielregeln entsprechen. Man unterscheidet sogar zwischen Koordinations-, Dilemma- und sog. Rambo- und Überzeugungsspiele.99 Dieser Ausgleich nach bestimmten Normen ist bereits ein politisches Spiel, d.h. nicht nur der Krieg ist ein Spiel, sondern bereits das gewaltlose politische Agieren in den Kommunikationsstufen 1 und 2.100
Als im Jahre 2004 die deutsche Nationalmannschaft bereits das Viertelfinale bei den Fußballeuropameisterschaften verfehlte, sah man die politische und wirtschaftliche Stagnation im Kontext mit dem Versagen der deutschen Mannschaft auf dem Fußballfeldern, ganz so wie man deren Sieg im Jahre 1954 in Zusammenhang mit dem Wirtschaftswunder der Bundesrepublik und den Einstieg in das Halbfinale im Jahre 2006 mit dem Wirtschaftsaufschwung im Jahre 2007 in Verbindung bringt, also in einen mentalen Zusammenhang der Geschehnisse sieht. Das geht sogar so weit, dass man die Kampfstrategien der Spieler mit den Aktivitäten oder Unterlassungen der deutschen Politiker vergleicht.101 102
Ein schlechtes Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft könnte, so wurde befürchtet, das Ende der christlich-liberalen Regierung bedeuten, einer Regierung, die die Meisterung der Wirtschafts- und Finanzkrise zur der Zeit nicht überzeugend bewältigt hat. Diese Befürchtungen werden mit den Auswirkungen der Resultate wichtiger Fußballspiele auf das politische Geschehen begründet. „Nach dem Wunder von Bern holte Konrad Adenauer 1957 stolze 50,2 % für die CDU. Willy Brand gewann die Bundestagswahlen im Anschuss an den Sieg bei der Fußballeuropameisterschaft 1972“ 1990d erkämpfte sich Helmut Kohl die Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition ebenfalls über den Sie der deutschen Mannschaft bei der Europafußballmeisterschaft.103
Welche politischen Dimensionen das Mannschaftsspiel Fußball bereits erreicht hat, zeigte sich am 18. 8. 2004 in Haiti. Im Februar war der
96 Siehe B V 22 b
97 v.Clausewitz,a.a.O.,S,35,36,Kap.20 u.21 d.1.Buches
98 Anatol Rapaport, Kämpfe, Spiele und Debatte, Drei Konfliktmodelle, Verlag Darmstädter Blätter1976,S.18
99 Bernhard Zangl und Michael Zürn, Frieden und Krieg, S. 96
100 Siehe B V 4 b aa und bb.
101 Peter Schneider, Die deutsche Lähmung, Der Spiegel, Nr. 28/04, S. 132 ff
102 Rainer Moritz, Jeder spielt, was er kann, Rheinischer Merkur, Nr.27/04, S. 17
103 Matthias Gierth, Merkels Finale, Rheinischer Merkur, Nr.24/10, S. 1
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amtierenden Präsident Aristide durch einen Volksaufstand mit bürgerkriegsähnlichem Charakter gestürzt worden. Dem brasilianischen Militär unter den Generälen Rinaldo und Rinaldino gelang es nicht, den Auftrag der UNO zu erfüllen, die Bevölkerung zur Ruhe zu bringen. Das Morden setzte sich, wenn auch in verminderter Form, fort. Daraufhin schlug der neue haitianische Präsident Latortue den brasilianischen Generälen vor, doch in Haiti ein Fußballspiel der beiderseitigen Nationalmannschaften auszutragen. Die Generäle akzeptierten. Unter größter Anteilnahme fand am 18. 8. 2004 das Fußballspiel statt. Die Haitianer verloren das Spiel 0 zu 6. Dennoch stellte Latortue fest: Nur ein Psychiater kann begreifen, was sich am 18. 8. 2004 in den Seelen der Haitianer abspielte. Die Liebe der Menschen gehört Brasilia. Aber spätestens als es 0 zu 6 stand, merkten sie, dass sie nicht jubeln konnten. Ihnen wurde plötzlich klar, dass sie Haitianer sind. Hören Sie mir zu: Wir werden diesen Tag von nun an jeden Tag feiern.“104 Dadurch dass die Nationalmannschaft Haitis von dem brasilianischen Weltmeister akzeptiert wurde, wurde den Haitianern vor Augen geführt, dass sie sich durch Solidarisierung durchaus sich in die Lage versetzen können, Siege zu erreichen. So hatten sie sich wieder zu einer Nation zusammengefunden und den Frieden gewonnen.
Im Jahre 2012 besiegte die libanesische Nationalmannschaft die des Iran 1 zu 0. Die gesamte Bevölkerung des Libanons, obgleich völlig in verschiedene Ethnien und Religionszugehörigkeiten zerstritten und einander bekämpfend, jubelte, einschließlich die Angehörigen der Hisbollah, die mit den Iran liiert ist. Der deutsche Trainer der libanesischen Nationalmannschaft Theo Bückers sagte dazu: „Der Libanese empfinde eine tiefe Liebe zum Fußball. Die müsse man nur Wachhalten, dann sei sie am Ende größer als die macht von Politik oder Religion. Im ganzen Land.“ Schon die Erwartungen auf das Spiel der libanesischen Nationalmannschaft gegen die von Katar, verscheuchte die Schatten des Bürgerkrieges im benachbarten und einflussreichen Syrien.
Man solidarisierte sich in der Hoffnung auch dieses Mal einen Sieg zu erringen. 105
Schon 1995 erreichte Nelson Mandela einen wesentlichen Erfolg bei der Aussöhnung der Weißen und Schwarzen in Südafrika, indem er eine schwarze Rugby-Mannschaft gegen eine aus weißen Mitbürgern bestehenden antreten ließ. Obgleich die aus weißen Bürgern bestehende Mannschaft einen guten Ruf zu verteidigen hatte, während die Mannschaft aus schwarzen Mitbürgern erst gebildet werden musste, errang diese den Sieg. Damit hatten sie nicht nur ihren schwarzen Mitbürgern Selbstvertrauen gegeben, sondern auch die die Anerkennung der weißen Mitbürger errungen.
Es ist sogar anzunehmen, dass es nach dem zweiten Weltkrieg schon längst wieder einen dritten gegeben hätte, wenn das Bedürfnis nach
104 Alexander Smoltczyk, Der Fußballfrieden, Der Spiegel, Nr.36/04, S. 68
105 Andrea Böhm, Im Libanon schießt man auch auf Tore, Die zeit, Nr.47/12, S. 7
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nationalem Kampf und, Abbau des kollektiven Aggressivitätspotentials nicht nur durch die Olympiaden, die Fußball- Tennis,- Golf-, Handball- Volleyballkampfnationalspielen und -kämpfe, weltweit übertragen durch die Medien, im hohen Maße befriedigt worden wäre. Die Ersetzbarkeit des Krieges durch sportliche internationale Wettkämpfe ist also im Grunde bereits bewiesen. Sebastian Haffner schildert in seinem Buch, Geschichte eines Deutschen, wie er als Kind den ersten Weltkrieg mit großem Interesse und wegen der deutschen Siege mit großer kindlicher Begeisterung als Spiel oder Wettkampf der beteiligten Nationen miterlebt hat. Die gleiche Begeisterung und das gleiche emotionale Engagement empfand er dann für die damals lediglich durch die Presse mitgeteilten internationalen Sportwettkämpfe in den Jahren 1923 bis 1926. Er schreibt: „Es war fast so schön, wie es im Krieg gewesen war. Es war noch einmal dasselbe große Spiel.“ 106 Diese Parallelität in der Wahrnehmung wurde insbesondere durch die Fußballweltmeisterschaftsspiele im Jahre 1998 noch einmal verdeutlicht, Jacqueline Hènard stellt in ihrem Artikel ”Himmelfahrt ”die rhetorische Frage: ”Können drei Fußballtore einer Gesellschaft, einen derartigen Ruck versetzen, dass sie sich plötzlich in einem anderen Bewusstseinszustand (von Glückseligkeit) befindet und an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend verloren geglaubte Kraft wieder findet? Jaqueline Hènard meinte die drei Fußballtore .die der französische Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft einbrachte. Der Sieg war dem Sieg einer Schlacht oder einem Krieg durchaus in seiner politischen Wirkung durchaus ebenbürtig“. Diese Gleichsetzung fiel dem französischen Volk nicht schwer, obgleich die Franzosen ein leidenschaftliches Verhältnis zur Politik haben. Der Sieg auf dem Fußballplatz wurde dem Präsidenten der Nation gutgeschrieben. Die Sympathiewerte von Staatspräsidenten und Premierminister kletterten in einer Umfrage von 30 auf 70 Prozent.107 Da die ausländischen Fußballspieler Guivarch, Karembeu, Kabylin und Zadine wesentlich zum Sieg beitrugen, taten sie den Integrationsbemühungen aller Ausländer einen guten Dienst. ”Es war Balsam auf die Seelen vieler Einwanderungskinder, wenn ein Sohn algerischer Einwanderer, wie Zenedine Zidane, plötzlich zum Nationalhelden wurde.”108 Die Fußballweitmeisterschaftsspiele 2002 endeten mit dem Finalspiel zwischen Brasilien und Deutschland am 30.6. 2002 in Japan. Der Bundeskanzler und der bayerische Ministerpräsident, der damalige deutsche Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, ließen es sich nicht nehmen, offiziell an diesem Spiel als Zuschauer teilzunehmen. Das Politbarometer für den amtierenden Kanzler stieg bereits beim Einzug der deutschen Mannschaft ins Viertelfinale um 10 Punkte. Meinungsforscher sind sich sicher, dass dem damals amtierende Kanzler den Endsieg der deutschen Mannschaft bei der Wahl im September derart gutgeschrieben wurde, dass er wiedergewählt wurde, gleich wie viel politische Fehlleistungen und Säumnisse der Regierungskoalition bis dahin noch unterlaufen waren. So war es dann auch im September 2002.
106 Sebastian Haffner, a.a.O. S. 73
107 Klaus Huwe, Vom Sieg beflügelt, Rheinischer Merkur,Nr.29/98,S.9
108 Jaqueline Hénard, Himmelfahrt, Die Zeit,Nr.30/98,S.6
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Die politische Bedeutung von internationalen Sportwettkämpfen ist anlässlich der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2002 noch durch ein weiteres Ereignis offenbar geworden. Als es der senegalesischen Mannschaft gelang, in das Viertelfinale aufzusteigen, wurde der Tag dieses Spiels zum senegalesischen Feiertag erklärt. Die Kirchen, auch die Priester sowie die Geistlichen anderer Religionen sahen in diesen Fußballkämpfen nationale Schicksalsentscheidungen. Soweit nicht an Gott geglaubt wurde, erfand man halt den Fußballgott. So heißt es in dem Gemeindebrief der evangelischen Kirche in Nordenham für Juni bis August 2002: „ Die Niederlage der eigenen Mannschaft ist eine Tragödie, die unmittelbar das eigene Leben in ein Krise stürzt. Es handelt sich um Schicksalsschläge, die den Stimmungen des Fußballgottes unterliegen. “ „ Manches Mal werden die siegreichen Fußballer selbst zu Göttern erhoben.“ 109 Damit sind die Fußballer den siegreichen Generälen oder Soldaten eines Krieges durchaus gleichgestellt. In den Siegen ihrer Mannschaften oder ihrer Sportler bei internationalen Wettkämpfen werden die Nationen als Schicksalsgemeinschaft wie im Kriege solidarisch geeint. Die Niederlagen sind zwar für die betroffenen Nationen Tragödien, aber sie werden hingenommen, wenn der Wettkampf fair war.110
Während der Austragungen Europafußballmeistspiele im Jahre 2008 zeigte sich einmal wieder, welche große Bedeutung diese Spiele bereits für den Zusammenhaltsgefühl für eine Nation und damit für den Nationalstaat an sich hat. Während der gesamten Spielzeit waren in Europa die meisten Pkws mit kleinen Nationalfähnchen beflaggt. Es gab keine Gaststätte, die nicht jedes Spiel mit großen Bildschirmen oder auf Leinwänden projiziert darbot. Natürlich ließ es sich das Bundeskabinett nicht nehmen, an jedem Spiel für alle sichtbar als Zuschauer teilzunehmen.
In allen Medien wurde auch außerhalb der Spielzeiten ständig über die stattgefundenen Spiele berichtet, sie wurden immer wieder analysiert, Spieler und Trainer wurden ständig interviewt. Diese Berichte waren intensiver und massiver als die über die Kämpfe in Afghanistan und dem Irak, obgleich es dort weiterhin um Leben und Tod ging. Der Politologe Volker Kronenberger schrieb: „Das zeigt, dass das Nationalbewusstsein in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist – auch große Teile des linksliberalen Lagers, das früher ja europäisch dachte, bekennen sich zu diesem Staat.“ Durch die Spiele „haben die Jüngeren keine zeithistorische Vorbehalte mehr gegen die Nation.“ Der Psychologe Ludwig Issing schrieb: „Offensichtlich bietet der Fußball vielen jungen Leuten eine gute Möglichkeit zu zeigen, wie stark sie sich mit ihrem Lande identifizieren. Da steht nicht das Nationalistische im Vordergrund, sondern die emotionale Gruppenbindung.“ Inzwischen sagen70 % der Bevölkerung, dass sie stolz sind, Deutscher zu sein. Vor neun Jahren waren es nur 63 %.111
Allein die Teilnahme an diesen positiven Effekt, gleich ab das Spiel gewonnen ist oder nicht.
109 Pastor Volker Wittkowski, a.a.0.
110 Siehe weitere Einzelheiten in B V 22 a
111 Matthias Weber, Fußball hebt das Nationalgefühl, Der Stern, Nr.26/08, S.27
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Wie sehr der Krieg durch das Fußballspiel ersetzt ist, wurde durch den holländischen Schriftsteller in einem Spiegelinterview anlässlich der europäischen Fußballmeisterschaft im Jahre 2012 durch folgende Sätze zum Ausdruck gebracht:
Fußball „ist ritualisierter Krieg. Warum sollte man sonst Fan sein? Wir brauchen diesen ritualisierten Krieg, wir brauchen keine echten Kriege.“ „Du kannst (beim Fußball) Gefühle raus lassen, die Du sonst unterdrückst. Du identifizierst Dich mit 11 Top-Athleten wie mit Kriegern.“112
Der Soldidarisierungseffekt innerhalb einer an sich zerstrittenen Bevölkerung gibt es im Prinzip bei jedem öffentlich ausgetragenen Wettkampf oder Wettspiel.
Als der schwarzheutige zum Islam übergetretene, Militärdienstverweigerer, Mitglied der Bürgerrechtsbewegung gegen die Diskriminierung Afro-Amerikaner und Schwergewichtsboxer Muhammad Ali am 20 Oktober 1974 in Zaire den Schwergewichtsweltmeister in Zaire in der 8. Runde durch K.O. besiegte, „ da hatte einer nicht nur den stärksten Mann der Welt besiegt, da hatte einer die Konflikte keiner ganzen Woche gebündelt. Die Bürgerrechtsbewegung, der Krieg in Vietnam, die Gewalt gegen die Studenten, die verbrecherische Regierung Richard Nixon, all das wurde mit verhandelt, als der alternde Rebell ….. gegen ….George Foremann antrat und gegen alle Wahrscheinlichkeit gewann.“113 Nixon musste gehen, die Beendigung des Vietnamkrieges wurde eingeläutet und die Gleichberechtigung der Farbigen wurde erreicht.
Sicherlich würde eine Bevölkerung das Ergebnis, zum Beispiel eine Gebietsabtretung oder einen sonstigen Souveränitätsverzicht kaum akzeptieren, wenn allein ein physisches Spiel oder ein Wettkampf über den Ausgang der Krise entscheiden würde. Sind beide Arten der Austragung aber nur abschließende Verfahrensbestandteile nach Durchführung eines Gerichtsverfahrens vor dem IGH und einem politischen Verfahrens vor der Generalversammlung oder vor dem Sicherheitsrat der UNO, so kann erreicht werden, dass der Krieg durch ein Spiel oder einen Wettkampf als integrierendes gewaltloses Interessendurchsetzungsverfahren ersetzt wird.114 Zwar sind es die Verluste insbesondere die Getöteten, die eine Bevölkerung dazu bringen, die Niederlage in einem Krieg um des lieben Friedens Willen zu akzeptieren, aber nur dann, wenn die Verluste an Menschenleben derart hoch sind, dass auch der größte Optimist nicht mehr mit einem günstigen Ausgang eines Krieges rechnen kann. Die Verluste können überdies durch die oben genannten ernsthaften und medienöffentlich ausgetragenen Verfahren ersetzt werden, so dass das Ergebnis des Spiels oder Wettkampfes für die Bevölkerung und die Regierung als Überzeugungsfaktor hinzukommen kann, wenn derjenige mit großer
112 Leon de Winter im Interview, Was haben wir den Holländern getan, Herr de Winter?, Der Spiegel, Nr.24/12,
S. 46
113 Zitat aus: Thomas Hüetlin, Ein letzter Schlage, Der Spiegel, Nr.3/12, S.57
114 Sibylle Tönnies, Auch Soldaten sind Menschen, a.a.O., S. 61
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Wahrscheinlichkeit das Spiel oder den Wettkampf gewinnt, der auch in den vorherigen Verfahrensabschnitten obsiegt hat. Selbst wenn man aus dem bisher dargelegten und in der Folge noch weiter vorzutragenden Gründen die 3. Verfahrensstufe nicht für sinnvoll hält, so wird man sich in naher oder entfernter Zukunft der Begründung kaum verschließen können, dass sie praktisch sinnbildlich das Ergebnis der beiden vorhergehenden Verhandlungsstufen den Bevölkerungen und den Regierungen der betroffenen Staaten dokumentieren werden.
Wie das Wahlverfahren in den Demokratien immer mehr den Charakter der Show oder besser den Show-down benötigen, so gehört auch als Endpunkt eines politischen Verfahrens nicht nur eine klare Entscheidung, sondern auch ein spektakuläres Ereignis, das den Staaten, aber insbesondere den hinter ihnen stehenden Völkern, das ernsthafte Bemühen oder besser den Kampf ihrer Regierungen um das Recht und ihre Interessen vor Augen führt. Dabei ist das Risiko der Kontrahenten, durch diese Spiele oder Kämpfe mehr zu verlieren oder zu gewinnen, als sie schon in den Verfahrensstufen 1 und 2 bereits gewonnen oder verloren hatten, äußerst gering. Jede Partei, die vitale Interessen verfolgt oder solche verteidigt, hat immer das Wahlrecht für die Art und Weise des Kampfes oder des Spiels und auch für den Ort und den Zeitpunkt der Austragung. Es werden auch auf keinen Fall Spiele und Wettkämpfe, bei denen es um die Existenz eines Staates geht, veranstaltet werden. Ferner bekommt stets diejenige Partei das Wahlrecht, die berechtigte, weil überwiegende Interessen verfolgt und die den Vergleichsvorschlag als einzige angenommen hat. Wer das Wahlrecht hat, also den Kampf und seine Regeln bestimmt, ist in der letzten Phase des Verfahrens in der Regel obsiegend.115, es sei denn, er hat sich schwer in der Wahl vertan, indem er ein Spiel oder Wettkampf bestimmte, in dem er nicht obsiegen konnte. Auch kleine Staaten können so in der dritten Phase obsiegen, wenn sie ein regional bekanntes und geübtes Spiel oder einen derartigen Wettkampf wählen. Die falsche Wahl zu treffen, ist ein so ein gravierender Fehler, dass der Staat, dem ein solcher unterlaufen ist, nicht weiter bedauert werden muss, selbst wenn er dadurch seine überwiegenden Interessen verspielt hat. Gehen vitale Interessen unter, so ist es dem betroffenen Staat nicht gelungen, im ersten Verfahren und im ersten Zwischenverfahren eine feststellende Entscheidung des Generalsekretärs zu erwirken, dass seine vitalen Interessen auf dem Spiele stehen, ferner muss er auch einen Vergleichsvorschlag abgelehnt haben, der seine vitalen Interessen entweder unmittelbar oder durch das Beschwerdeverfahren berücksichtigt hat. Eine solche Fehlleistung eines Staates bei der Vertretung seiner Interessen während des ganzen Verfahrens, würde deutlich zeigen, dass es um die Existenzberechtigung eines solchen Staates schlecht bestellt wäre, so dass sein Unterliegen nur etwas dokumentieren würde, was seine Politik auch ohne dieses Verfahren über kurz oder lang angezeigt hätte.
115 Siehe vorhergehendes Kapitel 1
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In der 3. Verfahrensstufe soll also nicht mehr und nicht weniger als eine Demonstration des Sieges der einen Partei und des Verlierens der anderen liegen, damit die betroffenen Völker das Ergebnis des Verfahrens akzeptieren können und die politische Krise, die Ursache des Verfahrens war, auch wirklich beendet ist. Die Bevölkerungen haben sich vor den Wettkämpfen und vor dem Spielen sich derart mit ihren Spielern und Kämpfer solidarisiert und auf deren Sieg gesetzt, dass sie den Ausgang des Wettkampfes oder –spieles akzeptieren können, denn in ihrer Anteilnahme war ihre Mitwirkung. Dagegen taten die Nationen immer sehr schwer, den Ausgang eines Krieges zu akzeptieren, weil man Gewalt niemals als gerecht Kommunikation akzeptieren kann und sie auch deshalb nicht solidarisiert.
Letztlich wird aber das völkerrechtliche Institut Krieg deshalb nicht mehr praktiziert, weil die Kriegsparteien das gewaltsame Verfahren nicht mehr beenden können116. Auch findet das Geschehen eines Krieges in großen Zeiträumen und verschiedenen Orten zu unvorhersehbaren Zeiten statt, so dass der Krieg unserer Tage mehr einem Zustand des Schreckens und des Grauens und nicht mehr ein schreckliches Spiel. Die Staatensind nicht mehr in der Lage, eine Niederlage oder einen Sieg in Konsens zu akzeptieren. Das können sie schon deshalb nicht, weil es ihnen unmöglich ist, von der Kommunikationsstufe 3 (gewaltsame) in die Kommunikationsstufe 2 oder 1 (verbale) zu wechseln.117 Dies war aber ein Phänomen der Gewalt, die man letztlich als zivilisierter Mensch niemals als Durchsetzungsinstrument akzeptieren konnte. Die neue politische Verfahrensordnung verlangt im Gegensatz zum Krieg nun von niemanden das Akzeptieren des Ergebnisses eines Gewaltaustausches, sondern das Anerkennen von Leistungen, die im Austausch von Argumenten und bei Wettkämpfen erbracht werden. Meine Überzeugung ist, dass der Mensch grundsätzlich noch das kulturelle Niveau besitzt, diese Anerkennung abzugeben, selbst, wenn er der Unterlegene ist. Meine Erfahrungen als Richter sind die, dass meine Urteile selbst dann akzeptiert worden sind, wenn ich sie später selbst als fehlerhaft erkannt habe.
Im Übrigen tauchen die Probleme bei der Akzeptanz des Endes eines Wettkampfes oder Spiels, die als Endphase des Verfahrens gedacht sind, schon deshalb nicht auf, weil das politische Verfahren, ausschließlich in der Kommunikationsstufe 1 sich abspielt. Es kommt hinzu, dass den Parteien bei Beginn des Verfahrens bereits bewusst war, dass sie sich auf ein Verfahren geeinigt haben, dessen Ausgang von den Verfahrensleitern festgestellt und von ihnen ohne wenn und aber akzeptiert werden muss. Diesen Konsens, sich dem Verfahren zu unterwerfen, haben die Parteien erstmalig mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der FO und zum Zweiten bei Eintritt in das Verfahren abgegeben, also zu einem Zeitpunkt an dem es die zu lösende Krise noch gar nicht gab und zu einem solchen,
116 Siehe B V 24 e
117 Siehe B V 24
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als sie noch nicht wissen konnten, dass sie ein Wettkampf oder ein Spiel als Demonstration des Ergebnisses benötigen.
Natürlich ist neben dem politischen Verfahrensstatut auch ein Statut der Kämpfer (StK) vorgesehen worden, in dem geregelt ist, welche Personen als solche berufen werden können und welche Sanktionen ihnen drohen, wenn sie Mindeststandards von Verhaltensregeln nicht einhalten. Man kann davon ausgehen, dass die Staaten sich entschließen werden, Kämpfer auszubilden und sie vielleicht in Formationen wie Heeren unterhalten, um sich für künftige Auseinandersetzungen optimal vorzubereiten.
Im Ergebnis liegt in der Umwandlung des Krieges in ein Verfahren eine Ritualisierung des Krieges vor, die sich übrigens viele Naturvölker schon zu eigen gemacht haben, so dass sie ihre politischen Konflikte unter Abbau der Aggression ohne Verursachung von Schäden oder Ausübung von Gewalt lösen können. Durch Einstudierung, d.h. durch Ritualisierung der Kampfeshandlungen versuchte das Militär schon seitdem es das Phänomen Krieg gibt, zumindest Gräueltaten zu verhindern oder anders ausgedrückt, Kriege zu humanisieren.118 Wird der Krieg nun zum Teil durch einen unblutigen, nicht verletzenden oder zerstörenden Wettkampf ersetzt, so ist dieser Vorgang im Prinzip nichts anderes, als das, was das Militär zuvor auf seine Art schon immer versucht hat. Der Eingriff, der hier vorgeschlagen wird, ist natürlich radikalerer Art.
Der Wettkampf und das Spiel haben nun nicht nur eine Bestätigungs- und Überzeugungs-, sondern auch eine Aggressionsabbaufunktion.119 120 121 122 Dass die sportlichen Wettkämpfe dem Abbau der Aggressionen zwischen am Wettkampf beteiligten Gruppierungen erheblich dienen, das haben bereits die alten Griechen gewusst, indem sie ihre olympischen Spiele veranstalteten. Fanden Sie statt, so durften Kriege nicht ausgetragen oder mussten wenigstens für die Dauer der Spiele unterbrochen werden. Im ersten Fall hoffte man, dass die Aggressionen zwischen den Völkern so weit abgebaut würden, dass ein Krieg gar nicht mehr ausbrechen könnte, im zweiten Fall hoffte man, dass die Unterbrechung zum dauerhaften Frieden führen würde. Anlässlich der 19 Winterspiele in Salt Lake-City Februar 2002 brachten Papst Johannes Paul II und der orthodoxe Erzbischof von Griechenland, Christodoulos, ihre Hoffnung, dass die antike griechische Tradition des olympischen Friedens wieder zum Leben erweckt, demzufolge alle Kriege eingestellt werden, in einer gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck.123
Die islamistischen Terrorakte seit dem 11.9.2001 führten in der europäischen Bevölkerung zu starken Vorbehalten gegenüber dem Islam. Sie erschwerten die Integration alle Muslime in die europäische
118 Michael Ignatieff,a.a.0., S.197
119 Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Krieg und Frieden, Piper, SP 329,IV,2.c.S.117 ff
120 Konrad Lorenz, Das Böse,dtv,Nr.580.Kap.13,S.249
121 Vamik D. Volkan, Das Versagen der Diplomatie, Psychosozial-Verlag, Gießen 1999, S. 164
122 So auch Prof. Dr. Gabriele Klein im Interview, Sagen Sie mal: Weckt Fußball Aggressionen ? Oder baut er
Sie ab ?, P.M. Juni 2006, S. 36 ff
123 Jürgen Meier, Helden zum anfeuern, Rheinischer Merkur, Nr. 6/02, S. 7
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Gesellschaft. In Deutschland waren vor allem die Türken betroffen. Mit großer Sorge um zu erwartender Ausschreitungen zwischen den Fans beider Mannschaften sah man daher das Halbfinale-Spiel im europäischen Fußballwettbewerb im Juni 2008 zwischen der türkischen der deutschen Mannschaft entgegen. Deutschland gewann dieses Spiel mit 3 zu 2. Gefeiert auf den Straßen und Plätzen in den deutschen und türkischen Städten wurde entgegen den Erwartungen von den Fans beider Mannschaften in holder verbrüdernder Eintracht. Auch die deutschen Fans erkannten die hohe Leistung der türkischen Nationalmannschaft an und sahen in dem letzten Tor der Deutschen mehr einen Glückstreffern als einen Leistungserfolg. Dass beide Mannschaften das Halbfinale erreichten, wurde sowohl von dem deutschen als auch von dem türkischen Bevölkerungsanteil in Gemeinsamkeit gefeiert, so dass dieses Spiel sicherlich die Integration des türkischen in den deutschen Bevölkerungsanteil fördern wird.124
Gegen die Aggressionsabbaufunktion der Wettkämpfe spricht nicht, dass sich in letzter Zeit, insbesondere während wichtiger Fußballspiele, die Fans der jeweiligen Vereine gewaltsame Straßenschlachten untereinander und mit der Polizei des Landes zu liefern pflegen. Es handelt sich dabei um durch die Spiele freigesetzte Aggressionen, die nicht im Kampf oder im Spiel selbst ausgetragen werden, sondern um auf einem Nebenschauplatz ausgetragener Aggressionen, die anlässlich der Spiele und Kämpfen verabredet wurden. Sie machen letztlich nur deutlich, dass diese Aggressionen vorhanden sind. Man muss sie dort lokalisieren, wo man sie als unerwünschten Nebeneffekt auch durch staatliche Gewalt unterdrücken kann. Wären sie Bestandteil des Kampfes oder des Spiels wie im Krieg. so könnte man sie nur nach den Regeln des Kriegs oder Spiels verhindern oder unterdrücken. Das wiederum wäre, wie dargelegt, ein unmögliches Unterfangen.125 Die Kriege haben aber bereits gezeigt, dass die Aggressionen während eines sich zu den Grenzen äußerster Grausamkeit steigern und nicht zu unterdrücken oder zu regulieren sind. Gewalt ist eben wesentlicher Bestandteil des Chaos, und gehört damit zur Gegenwelt jeder Ordnung.126
cc. Das Abschlussverfahren
In dem Abschlussverfahren stellt der Generalsekretär mit Hilfe der Überwachungskommission das Ende des Kampfes oder Spiels den Sieger und die erreichten Ziele in einer vollastreckbaren Urkunde fest. Ist das Ergebnis ein Unentschieden, so kann das Spiel der der Kampf, beide müssen anders sein, nach neuer Wahl des Wahlberechtigten fortgesetzt werden. Diese Möglichkeit besteht für den Wahlberechtigten aber nur einmal. Bleibt es bei dem Unentschieden dann wird das verfahren
124 Andreas Herholz, Deutsch-Türkischef-Fußballfeiern, Ein Signal, NWZ, Nr.149, S.4
125 Siehe B V 9 und 13
126 Siehe B V 9 und 13
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insgesamt bei Kostenteilung eingestellt. Die Entscheidungen des Generalsekretärs sind gegenüber dem IGH anfechtbar.
b. Der 2. Alternativvorschlag.
Nach diesem Vorschlag wird der Krieg nicht abgeschafft, er muss aber so ausgetragen werden, dass niemand realiter verletzt oder geschädigt wird, d.h. er wird in Form eines Manövers oder virtuell, d.h., in Form einer Computersimulation, durchgeführt.127 Natürlich setzt diese Austragung des „Krieges“ auch die beiden ersten Verfahrensstufen voraus. Er steht den Parteien nur zur Verfügung, wenn sie es übereinstimmend auf Anfrage des Generalsekretärs im 3. Zwischenverfahren so sich gewünscht hatten und zwar festgelegt auf eine der Alternativen Manöver oder virtueller Krieg.128.
aa.) Geeignetheit des Manövers und der virtuelle Krieg als
Kriegsersatz
Dieser Alternativvorschlag kann im Übrigen nur angenommen werden, wenn es möglich ist,
1.) in einem Manöver einen Krieg durchzuführen, ohne dass dabei Personen oder Sachen zerstört oder beschädigt werden, auf der anderen Seite aber auch zweifellos festgestellt werden kann, welche Personen verletzt oder getötet und welche Sachen derart beschädigt worden wären, dass sie als vernichtet gelten können, wenn die Kriegshandlungen außerhalb eines Manövers durchgeführt worden wären.
2.) wenn es möglich ist, den Krieg virtuell auf Monitoren stattfinden zu lassen.
Beide Voraussetzungen scheinen zurzeit bereits gegeben, wenn man von dem Bericht, „Am Hindukusch in Stullenstadt“,129 Glauben schenkt.
Danach werden sowohl Kampfeinsätze mit konventionellen Waffen als auch Verhaltensweise im Bürgerkrieg und Konflikte mit Terroristen sowohl virtuell als auch im Manöver geübt. Die Verletzungen und Zerstörungen werden durch Laserstrahl kenntlich gemacht. Ein Offizier äußerte sich dazu wie folgt: „Ich habe auch mitgemacht, und es hilft absolut gar nichts, sich zu sagen, es sei nur ein Spiel. Der Körper reagiert auf solche Situationen völlig selbständig, und zwar mit Panik.“ Matthias Horx fragt in seinem persönlichen Reisebericht durch die bereits existierenden und noch zu erwartenden Computerspiele: „Werden wir in Zukunft virtuelle Krieg führen – um reale Kriege zu vermeiden?“130
Im modernen Transformationskrieg, wie ihn die U.S.A. erstmalig im 2. Irakkrieg durchführten, fanden bereits alle kriegerischen Ereignisse auf dem Bildschirm statt.
127 So als Möglichkeit erwähnt von Ulrich Ladurner, Der Krieg. Das schmutzige Geschäft, Die Zeit, Nr. 29/08,
S.32
128 Siehe hierzu Anm. 57
129 Susanne Gaschke, Am Hindukusch in Stullenstadt, Die Zeit, Nr. 37/04, S. 3
130 Matthias Horx, Hoppla, hier kommt mein zweites Ich !, P.M., August 2006, S. 23
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Bei den Ersatzkriegen ist grundsätzlich das Kriegsrecht, d.h. die Haager Landkriegsordnung, die Genfer Konventionen und die beiden Zusatzprotokolle, einzuhalten. Verwendet werden dürfen nur Waffen, die nach der Verfahrensordnung zulässig sind, also z.B. keine ABC-Waffen.
Den Staaten muss vor den Ersatzkriegen Gelegenheit gegeben werden, sich aufzurüsten. Nach dem Waffenrecht der FO sind sie nämlich nur berechtigt, militärisch soweit gerüstet zu sein, dass sie sich verteidigen können. Während im Falle des Manövers die Waffen je nach finanzieller Kompetenz realiter gekauft und Soldaten eingestellt werden müssen, ist das für den virtuellen Krieg nicht erforderlich. In diesem Fall müssen sie die Kaufpreise bei dem Generalsekretär hinterlegen. Dafür werden ihnen dann die Waffen, soweit gewünscht, virtuell zur Verfügung gestellt. Für einzustellende Soldaten müssen sie jeweils ein Jahresgehalt eines solchen Soldaten hinterlegen. Der Sieger erhält nach dem Krieg die eingezahlten Gelder.
Der Krieg findet auf den virtuellen Territorien der Kriegsparteien statt. Das Kriegsrecht findet Anwendung. Kriegsobjekt dürfen deshalb keine Baulichkeiten sein, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Elektrizität, Öl und Benzin dienen. Es kommen nur Gebäude in Betracht, deren Zerstörung das Kriegsrecht zulässt. Das sind solche, die dem Krieg unmittelbar dienen, wie Brücken, Tunnel und dergl.131Vor dem Krieg werden die Kriegsparteien aufgefordert, diese Gebäude aufzulisten. Die erstellten Listen erhalten alle Kriegsparteien, damit jede Kriegspartei diese Gebäude auch verteidigen und die in diesen Gebäude Beschäftigten schützen kann. Werden diese nämlich bei einem Angriff getötet, so ist darin kein Verstoß gegen das Kriegsrecht zu sehen. Natürlich stirbt niemand bei diesem virtuellen Krieg, auch geht kein Gebäude in Flammen auf. Das ereignet sich aber so auf den Bildschirmen. Dennoch kann es schwierig sein festzustellen, wer obsiegt oder verloren hat. Diese Frage muss im Zweifelsfall der beobachtende neutrale Staat entscheiden. Natürlich sind auch die Ersatzkriege medienöffentlich, so dass es dem neutralen Staat nicht schwer fallen wird, die richtige Entscheidung zu treffen. Seine Entscheidung ist im Übrigen beim IGH anfechtbar, wie es übrigens alle seine Entscheidungen sind, die er während des Krieges zu treffen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten bezüglich der Ersatzkriege muss auf die spätere Beschreibung der FO verwiesen werden, die später veröffentlicht werden soll.
bb. Das 3. Zwischenverfahren
Vor Beginn der Kämpfe wählt der Generalsekretär aus der Gruppe der neutralen Staaten in der zweiten Verfahrensstufe für die Ersatzkriege eine Beobachterkommission aus. Sie setzt sich aus Mitgliedern der Friedenspolizei, aus den neutralen Staaten zusammen. Dieser stellt Verstöße gegen das Kriegsrecht fest und kann sie ahnden, indem entweder die Kriegshandlung zu wiederholen ist, sie als nicht durchgeführt gewertet, also der Erfolg kassiert wird oder aber beim schwersten Verstoß
131 Siehe G V 1 f
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der Krieg zulasten des Staates, der gegen die Regeln verstoßen hat, als verloren deklariert wird. Soweit sie den Krieg für beendet erklären und den Sieger feststellen, müssen diese Entscheidungen vom Generalsekretär bestätigt werde. Diese Entscheidungen des Generalsekretärs können per sofortige Beschwerde beim IGH angefochten werden. Die übrigen Entscheidungen werden durch Einspruch der benachteiligten Partei vom Generalsekretär abschließend entschieden. Bis zu diesen Entscheidungen, ruht der Krieg.
Wer mit welcher Beteiligung in diese Ersatzkriege zieht, wird in dem 3. Zwischenverfahren vom Generalsekretär festgelegt. Hat die fordernde Partei den Vergleichsvorschlag als einziger Staat angenommen, so kann sie den Krieg im Bündnis mit all ihren Streitgenossen Staaten (Qualifizierte Berechtigung) führen. Der verweigernde Staat muss den Krieg im Alleingang ohne Bundesgenossen durchstehen. Er wird also unterliegen und wohl erst gar nicht antreten.
Abweichend von dieser Bestimmung kann auch der Staat mit seinen Streitgenossen den Kampf gegen den anderen Staat ausfechten, der nur mit seinen eigenen Truppen kämpfen kann, wenn er lediglich dabei das Ziel verfolgt, dass die Entscheidung des IGH (erste Verfahrensstufe) die gültige Endentscheidung des politischen Verfahrens wird.
Kämpft ein am Verfahren beteiligter Staat mit dem Ziel entweder den Vergleichsvorschlag der neutralen Staaten oder den Endvergleichsvorschlag als Endentscheidung zur Geltung zu bringen, dann darf er sogar noch die Streitkräfte der neutralen Staaten für seinen Kampf hinzuziehen, während sein Gegner nur mit seinen Truppen kämpfen darf. Wenn sich die Parteien für ihren Kampf jeweils für eine andere unterschiedliche Endscheidung der vorhergehenden Verfahrensstufe entscheiden, dann erhält die Partei die qualifizierte Berechtigung, die sich jeweils für die spätere als Abschluss des Verfahrens entscheidet. Damit wird deutlich dass es auch bei dem Manöver und der virtuellen Kriegsaustragung letztlich darum geht, dass der Sieger der vorhergehenden Verfahrensstufen seinen Sieg für sich, seinem Volk und auch den übrigen Staaten demonstrieren kann, so dass es keinen Zweifel mehr darüber geben kann, dass er aus eigener Kraft seine Interessen hat verwirklichen können, weil sie überwiegend waren.
Der Ersatzkrieg, d.h. das Manöver und virtueller Krieg, sind im Prinzip nichts anderes als die zu wählenden Wettkämpfe aus der 3. Verfahrensstufe (1.Alternative). Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Völker – zumindest in den nächsten 50 Jahren – eher bereit sind, ihre Interessen durch einen Kampf zu verfolgen, der den bisherigen Kriegen ganz nahe kommt. Deshalb ist der 2. Alternativvorschlag, der einen solchen Kampf vorsieht, gemacht worden; andernfalls, könnte man sich vorstellen, dass man einen Zusätzlichen Grund hätte, die FO nicht zu akzeptieren.
cc. Das Abschlussverfahren
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Dieses entspricht ganz dem Abschlussverfahren des ersten Zwischenverfahrens.132
4. (Die Zwangsvollstreckung)
Aber auch die politische Verfahrensordnung wird letztlich ohne Gewalt nicht auskommen, denn wie jedes Verfahren braucht es eine Zwangsvollstreckung. Die Einsicht, dass das Recht zu seiner Wirksamkeit Macht und Drohung mit ernsthaften Konsequenzen im Falle der Nichtbefolgung benötigt, war beklagenswerter Weise seitens der Friedensbewegungen nicht vorhanden.133 „Ein absoluter Pazifismus, der dem Recht jedwedes Mittel der Durchsetzung abspricht, wäre die Kapitulation vor dem Unrecht, würde dessen Machtergreifung sanktionieren und die Welt dem Diktat der Gewalt überliefern, wie ……….“134
Wesentliche Voraussetzung für den Staat als regionale Friedensordnung ist sein Gewaltmonopol.135 Der Vorschlag für die politische Verfahrensordnung sieht ein Weltgewaltmonopol nicht vor, so dass das Recht auch nicht von einer Weltorganisation vollstreckt wird. Wenn das fehlende Weltgewaltmonopol kein Hindernis darstellt, ein Aggressionsverhinderungsverfahren zu entwickeln, dann erst recht nicht, wenn es gilt, ein Vollstreckungsrecht für die bisher geschilderte politische Verfahrensordnung zu finden, denn im Fall der Aggressionsbekämpfung muss unmittelbar mit Gegengewalt reagiert werden136, während nach dem hier geschilderten Verfahren grundsätzlich davon auszugehen ist, dass keine Gewalt benötigt wird. Ein System, das die Gewalt grundsätzlich aus den Beziehungen der Völker verbannt, sollte die Gewalt nur im äußersten Fall zur Anwendung kommen lassen. Die Zwangsvollstreckungsgewalt richtet sich eigentlich aber nur gegen den säumigen Schuldnerstaat, der in dem Interessendurchsetzungsverfahren (politische Verfahrensordnung) der Verliererstaat ist. Auch Egon Bahr ist davon überzeugt, dass der Völkerrechtsbruch nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. Er meint, in diesem Punkt sei sich die Staatengemeinschaft bereits einig.137 Das also unverzichtbare Zwangsvollstreckungsverfahren kann aber so eingerichtet werden, dass es nur zur Verwirklichung der Verfahrensziele führt, soweit sie in der Vollstreckungsurkunde genannt sind, ohne den Schuldnerstaat zu schädigen oder zu demütigen. Das geschieht dadurch, dass dem Schuldnerstaat, soweit das möglich ist, Mitwirkungs- und Wahlrechte bei der Zwangsvollstreckung eingeräumt werden. So wird es einen Vollstreckerstaat geben, den zu wählen, das erste Recht des Schuldnerstaates ist. Ferner werden ihm Fristen gesetzt, innerhalb derer ihm Gelegenheit gewährt wird, den erkämpften und beurkundeten
132 Siehe J IV 3 a cc
133 Wolfgang Sofsky, Operation Freiheit, S. 79
134 Kardinal Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI. Ansprache anlässlich zum 60. Jahrestag der Alliierten
in der Normandie, Rheinischer Merkur, Nr. 16/05, S. 8
135 Dieter Senghaas, Zum irdischen Frieden, S. 156
136 Siehe hierzu J V
137 Egon Bahr ,a.a.O.S.60,61
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Verfahrenszielen zu entsprechen. Er wird auch die Wahl haben, Ablösungssummen zu zahlen, so dass das in dem Titel festgehaltene Verfahrensziel nicht mehr vollstreckt werden muss. In den ersten Entwürfen war vorgesehen, die Zwangsvollstreckung darin bestehen zu lassen, dass der Zwangsvollstreckerstaat ein Gebiet des Schuldnerstaates bis zur Erfüllung der Verbindlichkeit besetzt. Nach den Erfahrungen der letzten Interventionskriege in Jugoslawien, Afghanistan und in den Irak macht diese Art Zwangsvollstreckung keinen Sinn mehr, weil viele Schuldnerstaaten es sogar als Vorteil und nicht als Druckmittel ansehen werden, wenn gewisse Gebiete ihres Territoriums unter fremder Verwaltung stehen. Außerdem ist zu befürchten, dass die Bevölkerungen durch Terror und Aufstand dem Zwangsvollstreckerstaat die Verwaltung des fremden Gebietes zu einer unzumutbaren Aufgabe werden lassen.
So ist nach der revidierten Verfassung der FO die Zwangsvollstreckung je nach Verfahrensziel unterschiedlich. Es wird zwischen folgende zu vollstreckende Forderungen unterschieden:
1.) Herausgabe eines Gebietes,
2.) Herausgabe eines beweglichen Gegenstandes,
3.) die Vornahme
a.) einer vertretbaren
b.) einer unvertretbaren Handlung
4.) die Unterlassung einer Handlung
5.) die Zahlung einer Geldforderung.
Nur bei dem Verfahrensziel zu 1.) muss von Anfang an das herauszugebende Gebiet vom Zwangsvollstreckerstaat besetzt werden, um es dann nach mindestens 2 Monaten an den Gläubigerstaat herauszugeben. Dabei darf die Bevölkerung nicht vertrieben werden und den dort Ansässigen muss auf Antrag die Staatsangehörigkeit des Gläubigerstaates gegeben werden.
Die Besetzung wird dadurch vorgenommen, dass den Beamten und Angestellten des Schuldnerstaates zunächst ein Beamter oder Angestellter des Zwangsvollstreckerstaates zur Seite gestellt wird. Gewalt wird vom Zwangsvollstreckerstaat also insoweit nicht geübt. Erst später werden diese Bedienstete des Zwangsvollstreckerstaates durch solche des Gläubigerstaates ersetzt, sofern und soweit dieser das will. Er kann auch die Bediensteten des Schuldnerstaates in ein eigenes Dienstverhältnis überführen. Die Übernahme oder Neubesetzung durch den Gläubigerstaat erfolgt frühestens nach 2 Monaten vom Beginn der Besetzung durch den Zwangsvollstreckerstaat gerechnet. Erst wenn dauerhafter und prinzipieller Widerstand gegen die Maßnahmen des Zwangsvollstreckerstaates geübt wird, ist das ein Angriff i.S. des Aggressionsverhinderungsverfahrens, der den gewaltsamen Abwehrkrieg einleitet.138 Findet dagegen später nach Übernahme der Hoheitsrechte Widerstand gegen die Beamten und Angestellten des Gläubigerstaates statt, so ist das bereits eine innere Angelegenheit dieses Staates. In diesem Fall hat der Gläubigerstaat gegenüber seinem Patenstaat Anspruch
138 Siehe hierzu J V 1
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auf Hilfe aus der Not, falls er selbst die Gewalt nicht eindämmen oder verhindern kann. Die Aufständischen können, falls sie sich gegen Unterdrückung wehren wollen, einen Anspruch aus dem Minderheitsstatut geltend machen, sind also auf Gewalt nicht angewiesen.139 . Greifen sie dennoch zur Gewalt, so verlieren sie den erwähnten Anspruch und können von den Polizeikräften des Gläubigerstaates bekämpft werden.
Bei allem ist zu bedenken, dass die Zwangsvollstreckung von dem Zwangsvollstreckerstaat ausgeführt wird, den zu wählen der Schuldnerstaat das Recht hatte. Schon allein aus diesem Grund ist mit Gewalthandlungen während der Zwangsvollstreckung kaum zu rechnen.
Geht es um die Herausgabe eines beweglichen Gegenstandes und verweigert der Schuldnerstaat diese, so kann der Zwangsvollstreckerstaat ein Gebiet des Schuldnerstaates, wo der Gegenstand sich befinden soll, besetzen. Das vollzieht sich genau so, wie das oben für eine Forderung auf Herausgabe eines Gebietes geschildert ist. Findet der Zwangsvollstreckerstaat dort den Gegenstand nicht und wird dieser nicht herausgegeben, so kann der Gläubigerstaat anstelle der Herausgabe des Gegenstandes das besetzte Gebiet für sich fordern
Vertretbare Handlungen werden durch den Zwangsvollstreckerstaat vorgenommen, wenn der Schuldnerstaat sich weigert, sie selbst auszuführen.
Unvertretbare Handlungen werden ähnlich vollstreckt, wie die Herausgabe eines Gegenstandes. Bei Unterlassungstiteln werden Zwangsgelder festgesetzt, die auf gleichem Wege wie Geldforderungen eingezogen werden können.
Geht es um Geldforderungen, können schließlich alle Forderungen des Schuldnerstaates gepfändet und bis zur endgültigen Erfüllung der Gläubigerforderung eingezogen werden. Der Zwangsvollstreckerstaat kann bei Banken auf dem betroffenen Territorium und aber auch auf denjenigen anderen Staaten nach Forderungen des Schuldnerstaates aus eigenem Recht ermitteln. Dazu erklären alle Staaten bereits bei Unterzeichnung der FO, ihr Einverständnis. Den Finanzbeamten des Schuldnerstaates können solche des Zwangsvollstreckerstaates zur Seite gestellt werden, damit wirklich auch alle Steuerforderungen gepfändet und eingezogen werden können.
Es ist nun aber davon auszugehen, dass es zur Zwangsvollstreckung niemals kommen wird, weil die medienöffentlich ausgetragenen Verfahrensstufen der FO, insbesondere die Kämpfe140, die Regierung und die Bevölkerung des unterlegenen Staates über die Pflicht, die gesetzten Verfahrensziele zu erfüllen, derart überzeugt haben werden, dass jeder Schuldnerstaat nicht umhin kann, die erkämpften Forderungen zu erfüllen, es sei denn er legt auf seine Reputation keinen Wert. Auch der Europäische Gerichtshof kommt ja ohne ein Zwangsvollstreckungsverfahren aus, weil es sich kein Staat, dessen Existenz weitgehend auf seiner Reputation beruht, leisten kann, sich dem
139 Sieh hierzu J IV 6 a
140 ,die nur noch alternativ angeboten werden, siehe hierzu Anm. 57
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Ergebnis eines solchen Verfahrens zu widersetzen oder zu entziehen. Dennoch muss eine Zwangsvollstreckung zumindest in der Verfahrensordnung vorgesehen werden. Allerdings wird die politische Verfahrensordnung nur noch mit den 2 Verfahrensstufen, also ohne Wettkampf, umso dringender der Zwangsvollstreckung bedürfen. Die Vollstreckungsbeamten (des nicht feindlichen Vollstreckerstaates!) müssen und können sich mit dem allgemeinen Notwehr- und Notstandsrechten begnügen.
Besonders erwähnt sei an dieser Stelle, dass, wenn sich nach dem Verfahren herausstellt, dass die Vollstreckung des Vergleichsvorschlags oder die Verfahrensziele gegen vitale Interessen des Schuldnerstaates verstoßen, dieser praktisch eine Vollstreckungsgegenklage im Rahmen der politischen Verfahrensordnung anstrengen kann, das der deutschen Vollstreckungsgegenklage entspricht.
Entscheidend aber ist, dass die internationale Gewalt, die im Prinzip in ihrem Potential vorhanden ist, die man weder einfach beseitigen noch deren Vorhandensein abstreiten kann, nur noch der Wahrung des Rechts dient. Damit erhält das Völkerrecht eigentlich erst durch diese Verfahrensordnung den Bestandteil, der ihm den Charakter als Recht verleiht, nämlich seine Erzwingbarkeit. Aus diesem Grunde ist die internationale Verfahrensordnung zugleich eine internationale Rechtsordnung
5.(Stabilisierung der Staaten gegen Bürgerkrieg und Terror)
Diese politische Verfahrensordnung setzt souveräne Staaten voraus. Der Terror kann nur dann wirksam bekämpft und Bürgerkriege erfolgreich vermieden werden, wenn es souveräne, rechtsstaatliche verfasste Staaten gibt, selbst wenn man die politische Verfahrensordnung nicht anstrebt.141 142 Diese Friedensordnung ist abweichend von den historischen Entwürfen nicht auf einem Weltstaat oder einer Weltföderation aufgebaut, sondern auf die Kraft der einzelnen Staaten gegründet. Weltstaat und Weltföderation dagegen können nur funktionieren, wenn die Staaten weitestgehend auf ihre Souveränität verzichten.143
Allerdings, so muss man feststellen, gibt es nur wenige Staaten, die noch souverän sind. Viele sind abhängig von den Großmächten, vom Kapital und von Verbrecherorganisationen oder haben sich auf dem Wege in eine Integration ihrer alles umfassenden Souveränität begeben. Viele Staaten befinden sich im Zustand des Bürgerkrieges.144
Im Bürgerkrieg zerfällt der Staat. Die geordneten gesellschaftlichen Verhältnisse gehen in ein Chaos über, in dem weder Recht noch Sitte Geltungskraft besitzen. Um das zu verhindern, müsste die Souveränität erhalten und gefestigt werden. Es würde schon helfen, wenn die Staaten
141 Robert Cooper, Wenn Staaten zerfallen, Die Zeit, Nr. 5/04, S. 17
142 Francis Fukuyama, Staaten bauen, S. 133
143 Siehe hierzu J III 14
144 Siehe E II und J II
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in Bezug ihrer Staatlichkeit solidarisch sein würden, wie es die Staaten der Heiligen Allianz im Jahre 1815 bezüglich ihrer monarchischen Regierungsform waren. Staaten müssen in einen Zustand versetzt werden, der dazu führt, dass die Flucht der Bürger aus ihnen gestoppt wird und die Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Gütern und ihrer Sicherheit garantiert ist. Solange noch täglich 26 000 Menschen in Afrika verhungern, kann es dort eine stabile Staatengemeinschaft nicht geben. Langfristig kann es den Wohlhabenden in den Industriestaaten auch nicht gut gehen, wenn es um die Ärmsten immer schlechter bestellt ist. 145Als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates kann ich eine derartige Solidarität aber gegenüber diktatorischen, intoleranten fundamentalistisch ausgerichteten Staaten nicht uneingeschränkt vertreten. Mit der Stabilisierung von Unrechtssystemen würde man nämlich allzu großes Leid verfestigen, das zur Vernichtung ganzer Kulturen oder ganzer Völkern um des lieben Friedens Willen führen würde.
Sicherlich können Bürgerkriege und Kriege generell dadurch vermieden werden, dass jedes Volk seinen von ihm gewünschten Staat bekommt. Kleine Staaten könnten in der bestehenden Weltordnung aber nicht mehr existieren. Sie müssten um ihren Überlebens Willen in eine größere Integration aufgenommen werden. Die Integration könnte dann die Minderheitsrechte der in ihr lebenden Völker durchsetzen. Zuvor müsste sich aber der sie unterdrückende Staat eine Separation dieses Volkes aus seinem Staatsverbund gefallen lassen, was in der Regel ohne gewaltsame Konfliktaustragungen nicht möglich ist. Ivanji146 sieht so vornehmlich das Balkanproblem als gelöst an. Können diese ethnischen Gruppierungen aber ohne Staat ihre Rechte durchsetzen, wäre ein derartiger (gewaltsamer) Umweg nicht notwendig. Eine Friedensordnung muss es schaffen, auf der einen Seite die Staaten als Träger und Garanten des Friedens zu stabilisieren und auf der anderen, das Recht der Minderheiten als solches anzuerkennen und durchsetzbar zu machen. Die Durchsetzbarkeit dieses Rechts der Minderheiten könnte in die Verfahrensordnung integriert werden. Dazu müsste diesen Minderheiten unter bestimmten formalen Voraussetzungen zur Durchsetzung ihrer Rechte vorübergehend die Staatsqualität zuerkannt werden, damit sie als Subjekte an dem Verfahren teilnehmen können. Zu der politischen Verfahrensordnung ( FO ) ist daher noch ein Minderheitsstatut (MSt) entworfen worden, das dieses regelt, d.h. Minderheiten formell dazu berechtigt, gegenüber den sie beherbergenden Staaten ihre Recht über den IGH147 durchzusetzen. Sie sind damit zumindest für die Dauer des Verfahrens dem sie beherbergenden Staat rechtlich gleichgestellt und würden damit aus der Sphäre des Gewalt- und Machtkampfes in die eines Rechtskampfes gehoben. Gleichzeitig würde damit entscheidend der Terrorismus jener Gruppierungen bekämpft, die Gewalt mit ideellen Zielen
145 Franz Alt, Marschall-Plan für Afrika, Publik-Forum, Nr. 15/04, S. 4
146 Andrej Ivanji, Montenegro fürchtet nur den Schutz der NATO, in Krieg in Kosovo, rororo aktuell 22712,S.
203
147 Eine Verfolgung und Durchsetzung der Minderheitsrechte über die politische Verfahrensordnung der FO ist
nicht zulässig, weil es hierbei nicht um Interessen- sondern um Rechtsverfolgung handelt.
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verfolgt haben. Vor allem würde den Bürgerkriegen der wichtigste Nährboden entzogen. 148 Allein die Gleichstellung der Verfahrensparteien erfüllt die erste Gerechtigkeitsvoraussetzung einer fairen Auseinandersetzung.149. Die Rechte würden materiell auf die Garantie freier Religionsausübung, Freiheit der Schulbildung, der Kulturstätten (Film, Medien und Theater) und die politischen Rechte, wie Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Justiz, Wahrung der Grund- und Menschenrechte150, Pressefreiheit, Mitwirkungsrechte und kommunale Selbstverwaltung und schließlich auch auf die Autonomie und nur in Ausnahmefällen unter Einschluss der Sezession beschränkt151. Zu diesen Rechten gehört auch das auf Wahrung eines Umfeldes von lebenserhalten Qualität. Dieses Recht können die Minderheiten entweder gegen den Sie beherbergenden Staat geltend machen als auch gegen die Lebenssphäre, wenn ihr Umfeld einer solchen angehört152.
Haben die Minderheiten ein internationales Gestaltungsrecht, so sind sie auf Gewalt nicht mehr angewiesen. Sollten sie dennoch und daneben zur Gewalt greifen, so sollte ihnen dieses Recht aberkannt werden.
Dieses Recht wird selbst zur Stabilisierung der Staaten entscheidend beitragen, da es dazu führt, dass ihre Verfassung flexibel auf alle im Staat konkurrierenden Interessen reagieren kann. Der Bürgerkrieg wäre überall aus der Welt verbannt. Die Lösungen, die in den Verfahren erstritten werden, können differenziert erkämpft und verteidigt werden. Dagegen sind ohne ein derartiges Verfahren eingegangene Kompromisse meistens faul, weil sie nach dem Willen der Mächtigeren ausfallen und selten sachgemäß sind. Mit Gewalt erkämpfte Lösungen sind undifferenziert, einzig auf dem Diktat des Siegers beruhend und können keineswegs von allen Beteiligten als erkämpftes Recht anerkannt werden.
Rechtsstaaten, gleich ob sie zwangsweise solche sind oder sich freiwillig zu solchen entwickelt haben, sind immer stabile Staaten, da jeder Bürger in ihnen zumindest seine Rechte geltend machen kann. Allerdings darf der Rechtsstaat nicht zahnlos sein, d.h., in der Verfolgung von Straf- und Terrorakten zu lasch und in der der Vollstreckung von Titeln zu nachgiebig verfahren. Im Übrigen kann sich erst ein Rechtsstaat zum Sozialstaat entwickeln.153 Auf jeden Fall ist ein Rechtsstaat in der Lage, sich von Verbrecher- und Terrororganisationen zu befreien und diese auch zu bekämpfen. Hat er sich einmal auch zum Sozialstaat entwickelt, so wird die Entstehung von Terror, soweit dieser aus dem Lande selbst kommen könnte, bereits im Keim erstickt.
Zur weiteren Stabilisierung der Staaten und zur Entwicklung derselben zu Sozialstaaten wird es notwendig sein, ein internationales Recht auf
148 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 175
149 Vamik D. Volkan, Das Versagen der Diplomatie, S. 48
150 Zur Klage auf Durchsetzung dieser Rechte bedarf es keiner Minderheit. Sie kann von jedem Bürger gegen den
Staat erhoben werden, dem er angehört. Der IGH wird auf diese zum Verfassungsgericht aller Staaten, soweit
sie es noch nicht haben.
151 Hinrich Bartels,a.a.O.S.23
152 Siehe dazu J IV 7 b
153 Siehe D II 4 b bb
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Befreiung der Staaten aus der Not und gewissen Notlagen zu etablieren. Das soll über das Statut Staaten in Not erreicht werden. Mit Hilfe der politischen Verfahrensordnung könnte dieses Recht durchgesetzt werden, und zwar gegenüber dem von jedem Staat zu seiner Unterstützung zu wählenden Patenstaaten. Die sog. Entwicklungshilfe wird unter dieser Voraussetzung nicht mehr vornehmlich von den internationalen Organisationen IWF, WHO oder der Weltbank geleistet werden, sondern von dem zu wählenden Patenstaaten. Es ist davon auszugehen, dass die Entwicklungshilfe so gezielter, den Gegebenheiten des bedürftigen Landes gemäßer und darüber hinaus ohne Verfolgung wirtschaftlicher Eigeninteressen geleistet wird. Eines der Nachteile der bisher von den Staaten an bedürftige Staaten gezahlter Entwicklungshilfe bestand darin, dass die leistungsfähigen Staaten sich verpflichtet sahen, an sehr viele Staaten Entwicklungshilfe zu zahlen. Das hatte zur Folge, dass die bedürftigen Staaten nach dem sog Gießkannenprinzip ihre Hilfe erfuhren und dann selten in einem ausreichenden Maße, weil das Leistungsvermögen der hilfeleistenden Staaten natürlich begrenzt war.154 Die Patenstaaten können die von Huntington genannten Kernstaaten155 sein, sie müssen es aber nicht. Als Not i.S. dieses materiellen Rechts gilt z.B. der drohende oder bereits eingetretene Bürgerkrieg. Die Hilfe käme also von einem befreundeten Staat kommen, der sie, sei es mit Einsatz von Polizeieinheiten, sei es durch Entsendung von Verwaltungsbeamten, sei es, als ultima ratio durch Entsendung von Militäreinheiten leistet. Die These, dass allenfalls Soldaten aus befreundeten Nationen (Czempiel meint sogar aus den Nachbarstaaten) wirksam für Befriedigung sorgen könnten, ist wohl richtig.156 Der militärische Einsatz kann dann ohne Skrupel erfolgen, denn die Aufständischen hätten statt zu den Waffen zu greifen, ja ihre Rechte aus dem genannte Minderheitsstatut geltend machen können157. Ihre Gewalt ist daher unter keinen Umständen legitimiert. Natürlich muss ein Notfall im Sinne des Statuts, der einen Anspruch auf Hilfe von dem Patenstaat auslöst, nicht nur der drohende oder bereits eingesetzte Bürgerkrieg sein. Vielmehr wird der Patenstaat wohl im Wesentlichen zur Verhinderung der Verelendung der Bevölkerung oder zur Abwendung von Katastrophen und zur Durchführung von Hilfsmaßnahmen im Falle einer Katastrophe in Anspruch genommen werden.
Es versteht sich von selbst, dass dieses Recht auf Intervention nur Staaten beanspruchen dürfen, die ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit besitzen. Zur Förderung einer solchen Entwicklung zur Rechtsstaatlichkeit ist es selbstverständlich, dass der Patenstaat hierbei Aufbauhilfe leistet, dies schon deshalb, damit er nicht zu spät um Intervention gebeten wird und die geleistete finanzielle Hilfe in dunkle Kanäle der Korruption verschwindet. Allein schon um in den Genuss des Anspruchs auf Hilfe
154 Rupert Neudeck, Geschenkt ist noch zu teuer, Rheinischer Merkur, Nr. 17/09, S.12
155 Huntington,a.a.O.,S.246 ff
156 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 162
157 Im übrigen sieht bereits das Minderheitsstatut die Möglichkeit der Befriedung eines innerstaatlichen
bewaffneten Konflikts vor.
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durch einen Patenstaat zu gelangen, wird eine Entwicklung generell zur Rechtsstaatlichkeit einsetzen.
Die Staaten werden ferner in ihrer positiven Souveränität gestärkt werden, wenn ihnen auf Grund des Statutum Florianis die Vormundschaft für die Bewahrung bestimmter Umwelt- und Kulturgüter anvertraut werden. Sie erhalten dadurch den Status von internationalen Behörden mit den entsprechenden Befugnissen.158
6.(Verfahrensordnung zur Lösung der Weltprobleme)
Die These Carl Friedrich von Weizsäckers159, dass das Weltproblem des Krieges nicht singulär, d.h. nicht ohne die Lösung der Probleme der Gerechtigkeitsfindung und Bewahrung der Schöpfung bewältigt wird kann, hat nach wie vor ihre Gültigkeit.
Es wird weder innere noch äußere Sicherheit geben, solange die Fragen von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Frauenrechten und guter Regierungsführung ungelöst bleiben.160 Die Weltprobleme müssen gleichzeitig angepackt werden, nicht nur, damit die Menschheit sich kulturell und sozial weiter entwickelt, sondern damit das Leben auf der Erde überhaupt weiterhin existieren kann. Jede einseitige Verfolgung auch nur eines der genannten Ziele, kann die Verfolgung des anderen erschweren.161 Huxley drückt das so aus: „Die Fähigkeit des Lebens, den Fortschritt fortzusetzen, den es langsam, aber stetig während mehr als tausend Millionen Jahren erzielt hat, hängt vielleicht von der Abschaffung des Krieges ab.162“ Die einseitige Abschaffung des Krieges oder jeden bewaffneten Konflikts, würde praktisch auf die Findung eines Unterdrückungsmechanismusses, hinauslaufen, der auch jede gewaltsame Verteidigung als letzte Mittel gegen Existenzbedrohungen, die nicht durch direkte Gewalt begründet ist, unterbindet. Will man den Ressourcen der Erde, insbesondere mit Öl und Gas, auch den nachfolgenden Generationen erhalten und baut Windkrafträder, Sonnenkollektoren oder setzt auf Biokraftstoffe, dann verbraucht man andere Ressourcen insbesondere werden dann Felder, die der Nahrungsmittelgewinnung dienten, zur Erzeugung von Treibstoffen verwandt, Wälder werden abgeholzt, um auch diesem Zweck zu dienen. Die Lebensmittel werden für viele Menschen unerschwinglich teuer. Hungersnöte werden ausbrechen Zur eigenen Rettung greift man zur Gewalt.
Dass die Friedensordnung (FO) mit der politischen Verfahrensordnung und der in ihr geregelten Aggressionsverhinderungsverfahren dem Frieden dient, versteht sich von selbst. Zusammen mit dem Minderheitsstatut und dem StF kann sie auch zur Lösung der weiteren Weltprobleme Gerechtigkeitsfindung und Schöpfungswahrung entscheidend beitragen.
158 Siehe hierzu J IV 7 b
159 Carl Friedrich von Weizsäcker, Die Zeit drängt, Hanser, München, Wien ,1986,S.25 ff
160 Joschka Fischer, Entwicklung statt Heiliger Krieg, Publik-Forum, Nr. 5/04, S. 14
161 Wolfgang Kessler, >>Die Zukunft, die wir wollen<<, Publik-Forum, Nr. 11/12, S. 13
162 Julian Huxley, Zitat aus P.M., März 2004, S. 100
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a.(Gerechtigkeitsfindung)
Der frühere serbische Präsident Milosevic soll während der ersten Bosnienkrieges gesagt haben, der Sieg sei der Frieden. Damit hatte er natürlich Recht, denn der Sieg bedeutet das Ende des Krieges. Die Frage ist nur, ob dieser Sieg auch immer eine Krise im Sinne der Gerechtigkeit beseitigt hat. Gerecht im Sinne des Krieges ist der Sieg doch nur dann, wenn der Kriegstüchtigere obsiegt hat und nicht derjenige, der mit der größeren Berechtigung den Krieg geführt hat. Der Krieg manifestiert das Recht des Stärkeren, führt aber nicht zur gerechten Lösung der Krise. Selbst wenn der Krieg nicht ausgefochten wurde und die Krise sich durch Findung eines Kompromisses erledigt hat, so wird letztlich damit in der Staatengemeinschaft insgesamt gesehen keine gerechte Lösung herbeigeführt, sondern es wird dem Wille des militärisch Stärksten, also des Staates, der am besten für einen Krieg gerüstet ist, nachgegeben. Der stärkere Staat wird immer nur dann bereit sein, insoweit nachzugeben, wie er unter Berücksichtigung des Einsatzes seiner Mittel und des möglichen Niederlage im Kriege das durch den Kompromiss erzielte Ergebnis doch noch für opportun hält. Deshalb ist auch ein solcher Frieden ohne Rechtsordnung immer ein fauler. Das Recht und damit die Gerechtigkeit haben erst dann eine Chance, wenn ein Staat ohne Androhung von Gewaltmitteln sich dieses Recht erkämpfen kann. Es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Gewalt immer nur eine Ursache für neue Gewalt sein kann. Wenn Gewalt geübt wird, so ist immer versäumt worden, vorher einen ungerechten Zustand zu beseitigen. Die Staaten sollten diese Ursachen erkennen und mit gewaltlosen Mitteln solchen Staaten helfen, die unter diesen Krisen leiden. Leider ist in dieser Hinsicht nur ein moralischer Appell möglich, der keinen zwingenden Charakter hat.163
Zurecht weist Robert Kogan darauf hin, dass der Terrorismus, der sich nach den Anschlägen vom 11.9. 2001 offenbart hat, mit militärischen oder polizeilichen Mitteln allein nicht bekämpft werden kann. Es sind die Ursachen, die in der Schieflage der gerechten Verteilung des Wohlstands und in der passiven Hinnahme des in weiten Teilen der Erde herrschenden Elends und Chaos.164 Geht man das Problem nur mit Gewalt an, so handelt man nicht nur falsch, löst also das Problem nicht, sondern reduziert bereits erreichte Ansätze zu freiheitlichen und rechtlichen Verhältnissen. So sieht sich ein starkes und mächtiges Land, die U.S.A., nicht in der Lage, dem Terrorismus und den Terrororganisation mit rechtsstaatlichen Mitteln beizukommen. Die U.S.A. exportierten unter Terrorverdacht Stehende nach ihrer Gefangennahme nach Ägypten oder in ein anderes Land, in dem die Folter noch ein probates Mittel ist, mit dem Ziel, zu Geständnissen und Offenbarungen zu kommen. Im Wege der Amtshilfe wurden die Verdächtigen dort von der Polizei und den sonstigen
163 Ernst-Otto Czempiel, Eine Welt ohne Feinde, Der Spiegel, Nr.43/00, S. 156 ff
164 Siehe E II 2 c
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Ermittlungsorganen, so verhört, dass man die gewünschten Ergebnissen erzielt.165.
Die vorgeschlagene politische Verfahrensordnung dient nicht nur dem Frieden, sondern auch der Gerechtigkeitsfindung, denn letztlich werden immer überwiegende und vitale Interessen verwirklicht. Überwiegende Interessen sind dann gegeben, wenn die Mehrheit der Staaten die Forderungen des am Verfahren beteiligen Staates für berechtigt hält.
Dass die die Existenz der Staaten und Völker durch wirtschaftliche Not und ungerechte Verteilung des Wohlstandes in äußerster Gefahr und dass der Weltfrieden durch diesen Zustand entsprechend gefährdet ist, sieht auch der ehemalige Generalsekretär der UNO, Kofi Annan. Er meint deshalb zu Recht, dass die Beseitigung dieser Ungerechtigkeit zu den wichtigsten Aufgaben der UNO gehöre.166 167
Ein Paradigmenwechsel im Gefüge der Staatengemeinschaft von einer Machtordnung zu einer Rechtsordnung wird aber dann erst eintreten, wenn jeder Staat einen Rechtsanspruch auf Hilfe aus der Not gegenüber einem anderen Staat hätte. Erst, wenn das der Fall ist, kann man eigentlich auch von einem wirklichen Frieden reden, denn nur ein gerechter Frieden beendet die Krise.168 Gerecht ist ein Frieden nämlich erst dann, wenn ein Volk, bzw. ein Staat nicht weiterhin zwangsweise in Elend auf dem ihm zugewiesenen Territorium ausharren müssen, weil kein anderer Staat, der das Glück hatte zu prosperieren, bereit ist, Hilfe zu leisten. Inzwischen sind die Hunger- und Verelendungskatastrophen in Afrika so häufig, dass, selbst wenn darüber rechtzeitig in allen Medien berichtet wird, die Hilfe fast immer zu spät kommt. Das Versagen der Staatengemeinschaft ist inzwischen Normalität. Das wurde wieder einmal offenbar bei der Hungerkatastrophe in Niger im August 2005.169 Wie der Sozialstaat sich verpflichtet sieht, keinen seiner Bürger in Not zu belassen, und er seine Bürger deshalb mit Ansprüchen zur Rettung aus dieser Not ausstattet, so muss auch die Staatengemeinschaft als Ganzes so beschaffen sein, dass es künftig weder ein allein gelassenes, darbendes Volk, noch einen Staat in bitterer Notlage geben wird. Dies verlangt allein schon die Solidarität unter den Staaten, die angesichts der Bedrängung durch die globale Privatmacht zur Aufrechterhaltung ihrer Staatlichkeit unbedingt von ihnen erhalten und, falls sie schon abhanden gekommen ist, wieder zurück gegeben werden muss.170
Wie oben schon ausgeführt, ist in dem Statut, Staaten in Not, vorgesehen, dass jeder Staat sich mindestens einen Patenstaat erwählt, der verpflichtet ist, ihn aus allen möglichen Notlagen zu befreien.171 Natürlich darf die Hilfe nicht nur in finanzieller Unterstützung bestehen.
165 Robert, Kagan, a.a.O.
166 Kofi Annan, In größerer Freiheit, Rheinischer Merkur, Nr. 20/05, S. 10
167 Siehe E II 4 c
168 Gibt es den gerechten Frieden ?, Ein Gespräch mit dem Philosophen Avistai Margalit, Die Zeit, Nr.24/99, S.46
169 Bartholomäus Grill, Tödliche Abstumpfung, Die Zeit, Nr. 32/05, S. 10
170 Siehe J II
171 Siehe J IV 5
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Häufig wird es notwendig sein, eine vernünftige Infrastruktur und eine rechtsstaatliche Verwaltung aufzubauen. Es ist davon auszugehen, dass jeder Patenstaat bereits bevor sein Schutzstaat in eine solche Lage der Not gerät, diesem die erforderliche Hilfe zuteilwerden lässt. Aus diesem Grunde werden die Ansprüche auf Hilfe durch Auskunfts- und Informationsrechte und -pflichten ergänzt. Es ist anzunehmen, dass die Hilfe auf diese Weise so effizient sein wird, dass die Verelendung der Völker und damit die allseits grassierende Migration gestoppt werden.
Die in der Vergangenheit in der Entwicklungspolitik begangenen Fehler, die daran bestanden haben, dass man schlicht Unternehmen im Not leidenden Ausland subventioniert oder eigene Unternehmen errichtet hat, können dabei nicht wiederholt werden, denn die Erkenntnis, dass bloße Subvention Armut statt Reichtum schaffen kann, scheint inzwischen allgemein zu sein. So wird die Hilfe der Patenstaaten nicht darin bestehen, dass man den Not leidenden Staaten Gelder zukommen lässt: Vielmehr wird man gemeinsam entworfene Projekte finanzieren, Infrastrukturen und Verwaltungssysteme aufbauen und zwar dergestalt, dass die Verantwortung der unterstützten Staaten und deren Souveränität dabei nicht geschmälert werden.
Aus einem falsch verstandenen Gerechtigkeitsverständnis pflegten Staaten, die Entwicklungshilfe zu leisten sich in der Lage sahen, möglichst vielen Staaten ihrer Wohltaten zukommen zu lassen. Natürlich waren sie dadurch gehindert, effektive Hilfe zu leisten. Es waren immer Tropfen auf heiße Steine. Wenn nach dem vorgeschlagenen neuen Statut jeder Geberstaat nur einen oder zwei Mündelstaaten, den zur Hilfe er sich verpflichtet hat, aus Notlagen befreien muss, so kann man von der Erbringung effektiver Hilfen ausgehen.172
Durch die Begründung von Patenschaften. kann auch im sozialen Bereich innerhalb der Weltbevölkerung eine gewisse Symmetrie hergestellt und damit eine Ursache des Krieges beseitigt werden.173 Diese Patenschaft wird die Insolvenz eines Staates mit großer Wahrscheinlichkeit verhindern, bzw. wird der Patenstaat in der Lage sein, wenn nicht sogar wiederum mit Hilfe seines eigenen Patenstaates, den betroffenen Staat aus seiner finanziellen Not der Zahlungsunfähigkeit zu befreien.
Das Netz der Staaten von Patenschaften wird erfolgreicher sein und mit weniger Eingriffen in die Souveränität des Not leidenden Staates auskommen, als ein internationales Insolvenzverfahren, wie es Christoff W. Paulus vorschlägt.174
Wenn in den Staaten die bittere Not beseitigt wird, gewaltsame Ausschreitungen verhindert oder beendet werden und die Staaten selbst zur größerer Rechts- und Sozialstaatlichkeit reformiert werden, so kann das allein auf Grund des Statuts Staaten in Not und dem Minderheitsstatut mit der FO verwirklicht werden.
172 Rupert Neudeck, Geschenkt ist noch zu teuer, Rheinischer Merkur, Nr.17/09, S. 12
173 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 126 ff
174 Christoff W. Paulus, Bankrotte Staaten brauchen eine zweite Chance, Die Zeit, Nr. 10/02, S. 25
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Zur Gerechtigkeitsfindung gehört natürlich auch das bereits erwähnte Minderheitsstatut.175 Es wird generell bewirken, dass die Staaten sich zu Rechtsstaaten entwickeln, denn die Minderheiten können auf Grund der Verfahren vor dem IGH und über die politische Verfahrensordnung praktisch in erster Linie die Rechtsstaatlichkeit der sie beherbergenden Staaten einfordern, aber auch den Mindeststatus eines Sozialstaates. Ein Staat, der nicht in der Lage ist, seinen Bürgern eine Existenz ohne Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse auf Nahrung, einem Dach über den Kopf, ausreichender Kleidung und Sicherung eines hygienisch ertragbaren Umfelds zu erschaffen und zu garantieren, wird schnell in einen Bürgerkrieg zerfallen, wird sich durch Aggressionen nach Außen zu retten versuchen und stellt damit eine Gefahr für den Frieden in der Welt dar. Es ist notwendig, dass die Bürger eines Landes, diese ihre sozialen Rechte geltend machen können und dass der Staat, der nicht in der Lage ist diese existentiellen Ansprüche seiner Bürger zu befrieden, sich in seiner Not in seinen Patenstaat wird wenden dürfen. Der Patenstaat wird auf Rechtsstaatlichkeit seines Mündelstaates bestehen, denn nur einem von Korruption freien Staat kann geholfen werden. Außerdem wird keine aus dem Ausland kommende Industrie in einem Staat investieren, der keine intakte Justiz besitzt.176 Die Welt braucht heute ein Völkerrecht, das die Völker mehr stützt als die Staaten, die Unterdrückten besser als die Unterdrücker.“177 Das Ziel jeder Organisation menschlicher Verhältnisse und Beziehungen ist die Wandlung der Verhältnisse der Macht in solche des Rechts. Will man das tatsächlich erreichen, so ist es notwendig, ein etabliertes Verfahren zur Konfliktlösung der Staaten untereinander zu finden. Ein derartiges „Verfahren wird den juristisch gezähmten Umgang mit Menschenrechtsverletzungen vor einer moralischen Entdifferenzierung des Rechts schützen und eine unvermittelt durchschlagende moralische Diskriminierung von „ Feinden“ verhindern.178
Steht der Staatgemeinschaft erst einmal die hier entwickelte politische Verfahrensordnung zur Verfügung, dann können natürlich auch die Staaten mit diesem Verfahren überzogen werden, die die inzwischen zahlreich ergangenen Menschenrechtskonventionen nicht erfüllen, natürlich nur diejenigen, die den Leichtsinn begangen haben, diese Konventionen zu unterschreiben. Allerdings muss vorher geklärt werden, wer Anspruchsinhaber dieser Konvention ist. An sich sind die Konventionen so ausgelegt, dass jeder Staat sich gegenüber den anderen Staaten verpflichtet hat, die Bestimmungen der Konvention einzuhalten. Können Minderheiten nach Annahme des Minderheitenstatuts selbst klagen oder mit Hilfe des politischen Verfahrens ihre Ansprüche geltend machen, so ließe sich daraus folgern, dass diese Ansprüche Staaten für fremde Minderheiten nicht mehr zustehen. Hierzu möchte ich mich nicht abschließend äußern. Es ist nämlich zu bedenken, dass gerade, weil diese Konvention nicht vorher zwangsweise verwirklicht werden konnten, sehr
175 Siehe J IV 5
176 Heidemarie Wieczorek-Zeul im Interview, „Subventionen schaffen Armut, Die Zeit, Nr.11/04, S. 32
177 Bernd Ulrich, Das hilflose Europa, Die Zeit, Nr. 16/01, S. 1
178 Habermas ,a.a.O.S.6
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viele Staaten diese bis dato nur deklaratorisch, d.h. als bekennend wirkende Konventionen unterschrieben haben. Sie konnten es daher wagen, sich ungehemmt zu weitgehenden Rechten, wie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 und dem Abkommen zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15,12.1989 zu bekennen. Es muss jetzt festgestellt werden, dass die vollmundige Postulierung von nicht erfüllbaren Rechten dem Völkerrecht mehr geschadet als genützt hat.179 Erst mit der Unterzeichnung der hier vorgeschlagenen Verfahrensordnung werden diese Rechte verwirklicht, sei es durch die Staaten, die sich bereits nach diesen Konventionen reformiert haben oder aber durch die betroffenen Minderheiten.
b.(Die Schöpfungsbewahrung)
Eine Expertenumfrage nach den größten Gefahren für den Fortbestand der Menschheit ergab, dass neben dem Terrorismus, den virulenten Pandemien, Meteoriten und Supervulkanen und der Herrschaft der künstlichen Intelligenz die Klimaveränderung als die zweitgrößte Gefahr genannt wurde, wobei der Terrorismus an erster Stelle rangierte.180 181 Michael Gorbatschow, ein Politiker, der in den letzten 100 Jahren wie kein anderer die Welt verändert hat, soll gesagt haben: „Wir führen einen Krieg gegen die Natur und damit gegen uns selbst.182 Dieser Krieg ist im höchsten Maße unfair, da der Mensch den Krieg gegen jemanden führt, dem er noch nicht einmal die Rolle einer Kriegspartei zubilligt, er vielmehr die Natur als wehrloses Opfer seiner Gewalt und Willkür missachtet. Die Veränderungen der Natur, die der Menschen verursacht, nimmt diese klaglos hin. Sie wehrt sich einfach dadurch, dass sie lebensfeindliche Züge annimmt, d.h. sie kann dem Menschen zur Aufrechterhaltung seines Daseins nicht länger zur Verfügung stehen.
Die Rolle des bloßen Opfers verliert die Natur zwar schon, aber nur fragmentarisch, wenn über das hier vorgeschlagene Verfahrensinstitut jeder Staat bereits die Abwehr von Umweltgefährdungen als Durchsetzung vitaler Interessen erreichen kann. Die Verfolgung eines derartigen Anspruchs wird nämlich in der Regel bei globalem Verfall der Umwelt schwer zu verwirklichen sein, weil ein einziger unmittelbarer Störer oder Verursachter nicht auszumachen sein wird. Bestandteil der Internationalen Rechtsordnung muss daher auch ein Umweltstatut sein, das klar die Verantwortlichkeiten und die Rechte der Umwelt und des nicht humanen Lebens verteilt. Die Umwelt muss selbst Rechtssubjekt werden, wie das in dem StF183 vorgesehen ist. Dies geschieht dadurch, dass man gewisse Regionen der Erde als sog Lebenszonen erkennt. Das sind solche, deren Existenz unbedingt zur Aufrechterhaltung des Lebens notwendig sind, wie z .B. die Ozeane, große Waldregionen, große Flüsse, die Atmosphäre, Sümpfe, Steppen und so weiter. Diesen müsste die Rechtsfähigkeit
179 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 148
180 Fragile Zukunft, Der Focus, Nr.21/05, S. 144
181 Siehe auch E II 3 b
182 Franz Alt, „Eine bessere Welt ist möglich, das ist mein Gebet, Publik-Forum Nr. 15/03, S. 22
183 Statutum Florianis
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zuerkennt werden. Ich muss zugeben, dass diese Idee nicht von mir stammt, sondern von dem großen amerikanischen Juristen und Richter am Supreme Court, Christoffer D. Stone.184 185
Natürlich können diese Lebenszonen ihre Rechte auf Erhalt und Gefahrenabwehr nicht selbst geltend machen. Sie werden deshalb unter Vormundschaft bestimmter Staaten gestellt. Soweit sich eine Lebenszone ausschließlich auf dem Territorium eines einzigen Staates befindet, erhält natürlich dieser Staat die Vormundschaft und wird somit zum Doppelstaat, hat also zwei oder mehrere volle Berechtigungen i.S. der politischen Verfahrensordnung186, je nach dem wie viel Lebenszonen er besitzt. Die anderen Gebiete, die sich also über zwei oder mehrere Territorien der Staaten erstrecken, können entweder mehreren Staaten in Gesamtverantwortung übertragen werden oder im wechselnden Turnus in jeweilige Alleinverantwortung. Soweit ein Staat über eine Lebenssphäre auf seinem Territorium verfügt, muss er der Verwaltung über diese Sphäre eine derart unabhängige eigenständige Position einräumen, die mit der eines unabhängigen Gerichts zu vergleichen ist, denn es kann sein, dass die Verwaltung im Interesse der Lebenssphäre gegen den eigenen Staat vorgehen muss. Einem nicht rechtsstaatlich verfassten Staat kann die Verantwortung über einen sog Lebensraum nicht übertragen werden. Allein diese Bestimmung in dem SrF wird nicht nur der Bewahrung der Schöpfung dienen, sondern auch der Gerechtigkeit. Die wichtigsten Lebenszonen sind natürlich die Ozeane und die Atmosphäre. Die Verantwortung für diese sollten nur Superstaaten im wechselnden Turnus anvertraut werden. Die Lebenszonen selbst haben Rechte, vornehmlich Abwehrrechte gegenüber Staaten und anderen Lebenszonen, also haben sie auch Verpflichtungen. Diese Verpflichtungen kann jeder Staat und jede andere Lebenszone in dem oben geschilderten Verfahrensinstitut einklagen, und zwar im ordentlichen Verfahren vor dem IGH, wie in dem der politischen Verfahrensordnung.
Eine Lebenszone braucht sich nicht zu scheuen, gegen die Gesamtheit aller Staaten eine Forderungsschrift zu richten, weil diese Staaten dann in den jeweiligen Verfahren eine Parteiengemeinschaft mit nur einer Stimme haben. Dagegen kann die Lebenszone in dem Verfahren vor der Generalsversammlung viele Streitgenossen der anderen Lebenszonen gewinnen. So kann zum Beispiel die Lebenszone Atmosphäre Streithelfer der Lebenszonen Meere, Wälder und Flüsse bekommen, wenn es darum geht, die Atmosphäre von Schadstoffen frei zu halten.
Stellt sich nun in dem einen oder anderen Verfahren heraus, dass ein Vormundschaftsstaat seiner Verantwortung nicht im gehörigen Umfang gerecht geworden ist, so kann er sie verlieren, selbst dann, wenn es sich
184 Christopher D. Stone, Umwelt vor Gericht, Treckster Verlag, München 1987
185 Der Verfasser ist auch der Auffassung, dass es sinnvoller ist den bedrohten Tierarten ihren Lebensraum zu
erhalten, als speziell für die Aufrechterhaltung der jeweiligen speziellen Population einer Tierart Sorge zu
tragen. Siehe hierzu: Christiane Grefe und Andreas Sentker, Versöhnung mit der Wildnis, Die Zeit, Nr.
21/08, S. 35
186 Siehe Anlage I
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um eine Lebenszone handelt, die sich auf seinem eigenen Territorium befindet.
Die für die Ozeane oder Atmosphäre verantwortlichen Staaten müssen nicht gleich jeden Luftverkehr, jeden Fischfang und jeden Transport von Öl mit Tankern verbieten, wenn sie um das ökologische Gleichgewicht der genannten Lebenszonen besorgt sind. Es steht ihnen frei, für derartige belastende Eingriffe von außen Gebühren zu erheben oder die Kontingente wie die Fangquoten und Fangarten zu beschränken. Das eingenommene Geld muss, so schreibt es der Entwurf des Umweltstatuts vor, für die Umwelt auch wieder ausgegeben werden. So zieht sich über den Erdball ein Netz von Ansprüchen und Verpflichtungen, das der Erhaltung der Biosphäre als Garanten allen Lebens erhält. Die Ansprüche eines jeden Staates aus Befreiung aus allgemeiner Not und aus spezifischen Notlagen waren ursprünglich deshalb im Umweltstatut konzipiert, weil das Statut vitale und lebensfähige Staaten voraussetzt, die sich für die ihnen zugewiesen Umwelt auch wirklich einsetzen können.187
Das System soll nachfolgend an einem Geschehen im Jahre 2007 erörtert werden: Der Pazifikinselstaat Tuvalu ist durch die Klimaerwärmung bereits jetzt in Existenznot geraten. Die Erhöhung des Meeresspiegels auch nur um einige Zentimeter würde bewirken, dass die Insel im Meer versinkt. Durch das bisherige Ansteigen des Meeresspiegels wird die Insel bereits schon bei mäßigem Sturm überflutet. Ein Flüchtlingsstrom von der Insel hat schon eingesetzt.188 Die Erwärmung der Erdatmosphäre bewirkt ein Abschmelzen der Pole und der Gletscher, und das hat zur Folge, dass die Meeresspiegel sich erhöhen. Der Staat Tuvala hat also ein existentielles Interesse daran, die durch den Menschen verursachte Klimaveränderung zu stoppen. In dem politischen Verfahren könnte Tuvala nun von allen Staaten fordern, die massiv das Klima durch Abgabe von Schadstoffen, insbesondere von Co², in die Atmosphäre verunreinigenden Emissionen zu unterlassen. Mit Geltendmachung eines Existenzrechts sind die Erfolgsaussichten einer solchen Klage immens hoch. Alle Staaten, die unter ähnlichen Folgeerscheinungen des Klimawandels leiden, hätte dieser Staat als Streitgenossen in der Verfahrensstufe vor der Generalversammlung189. Dagegen hätten, das sieht die FO vor, die verklagten Staaten in der Generalsversammlung nur eine einzige Stimme, allerdings noch die Stimmen der nicht verklagten Staaten, wenn diese sich den das Klima verändernden Staaten als Streitgenossen anschließen würden. Eine zweite Möglichkeit für den Staat Tuvalu bestände darin, den Vormundschaftsstaat für die Atmosphäre über die politische Verfahrensordnung zu verklagen, so dass dieser für die Eindämmung des schädlichen Schadstoffausstoßes sorgen müsste. Dieser Vormundschaftsstaat musste dann allerdings auch wieder, jetzt aber in eignem Interesse, von allen Emissionsstaaten die Einhaltung der von dem Vormundschaftsstaat aufgestellten Emissionsrichtlinien fordern. Auch in
187 Da eher zu erwarten ist, dass die Staaten sich nach einander zur Regelung bestimmter Problem bequemen als
in einem Zug, sind beide Regelungen, also die über die Staaten in Not und über die Umwelt getrennt
worden.
188 Anwen Roberts, Staat ohne Land, Der Spiegel, Nr. 37/07, S. 166
189 Siehe J VI 1
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diesem Verfahren würden die mit den gleichen Anträgen belangten Staaten in der Generalversammlung nur mit einer einzigen Stimme wirksam sein können. Für den Vormundschaftsstaat wäre diese Klage auch von existenzieller Wichtigkeit, denn würde er in dem Prozess versagen und deshalb erfolglos sein, könnte der Staat die Vormundschaft verlieren.
Die Völkerrechtler suchen zurzeit verhältnismäßig hilflos nach einer Lösung des Tuvalu-Problems. Dass ein Staat nicht durch militärische Gewalt um seine Existenz gebracht wird, ist für sie neu. Man begnügt sich zurzeit damit zu prüfen, ob die Umweltflüchtlinge aus Tuvalu nicht den Kriegsflüchtlingen gleichgestellt werden müssen. Zur Rettung der Insel fällt ihnen nichts ein.190 Wären die U.S.A. oder wäre auch schon China in gleicher Weise betroffen, dann würden sie nicht zögern, alle Staaten mit militärischem Druck zu einem umweltverträglichen Verhalten zu zwingen.
Bei diesem System werden Tiere und Pflanzen nicht als eigene Rechtspersönlichkeiten gewertet, sondern nur als Bestandteile eines biologischen Netzes, in welchem auch der Mensch integriert ist. Allein dadurch, dass er mit den Tieren und Pflanzen als Bestandteil der Lebenszonen gesehen wird und ihm damit bestimmte Verhaltensregeln aufgezwungen werden, gewinnen sie als seine Lebensgenossen an Bedeutung. Dennoch werden Tiere und Pflanzen nur mittelbar geschützt und zwar deshalb, weil ihr Bestand zum Fortbestehen der Menschen notwendig ist. Tiere und Pflanzen werden weiterhin wohl als Nutzobjekte des Menschen gesehen und als seine biologischen Ressourcen betrachtet werden.191 Dieses rein utilitaristische, materialistische Konzept mag manchen Biologen und Ökologen schockieren. Leider wäre aber ein anderes Rechtssystem, das auf den Eigenwert des tierischen und pflanzlichen Lebens beruht, zurzeit noch unrealistisch.
Einen ähnlichen Schutz gegen Verunstaltungen und eine gleiche Berechtigung erhalten Kunst- oder Kulturdenkmäler. Besonderen Schutz erhalten hier die bereits von der UNO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommenen Objekte. An dieser Stelle möchte ich mich mit einem bloßen Hinweis darauf beschränken.
c. Staatsmacht vor Wirtschaftsmacht
Die Finanzkrise in den Jahre 2008 und 2011 und die damit verbundene Krise der globalen Wirtschaft haben in allen Staaten bittere soziale Folgen gehabt. Die Banken konnten die Firmen nicht kreditieren, so dass diese ihre Produktionen einstellen und ihre Arbeiter entlassen mussten und nicht selten sogar in Insolvenz gerieten. Die Aktienkurse und die Werte der Immobilien sanken ins Bodenlose, so dass viele Bürger nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren, sondern auch ihr Vermögen. Die Staaten versuchten durch Einräumung von Milliardenkredite an die Banken und auch an die
190 Anwen Roberts, Staat ohne Land, Der Spiegel, Nr. 37/07, S. 166
191 Mit Will Kylicka, (im Interview, Unsere Mitbürger, Die zeit, Nr. 28/12, S. 50) bin ich der Ansicht, dass
zumindest die Tiere ein Recht auf Leben haben und dass vom Menschen in anzuerkennenden und zu
respektierenden Gemeinschaften leben und die Haustiere Teil der menschlichen Gesellschaft sind. Doch ist
die menschliche Gesellschaft noch nicht dafür reif, diese Rechte der Tiere zum Gegenstand ihrer
Rechtsordnungen werden zu lassen.
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Produktionsstätten und durch Investitionen in ihre Infrastruktur und Bildungsstätten zu retten, was sie noch glaubten, auf diese Weise retten zu können. Die Staatsverschuldung aller Staaten nahmen astronomische Ausmaße an. Die U.S.A. versuchten das Problem dadurch zu lösen, dass sie die Gelddruckmaschinen in Gang setzten.192
Den anderen Staaten wird auch nichts anderes übrig bleiben. Die Inflation wird die Folge sein. Auf diese Weise werden auch diejenigen ihr Vermögen verlieren, die bis dahin es haben retten können. Die Finanzkrise hat offenbart, wie groß die globale Wirtschaftsmacht gegenüber der politischen Macht der Staaten ist. Deren Macht ist nicht global, sondern eben regional aufgesplittert. Kann diese dadurch bedingte Abhängigkeit der Staaten von dieser globalen Marktwirtschaft dadurch gemildert und sogar beseitigt werden, wenn man die Staaten in ihrer Regionalität oder Territorialität stärkt, muss man sich fragen.
Aus den Bisherigen ergibt sich, dass die Zulassung einer Wirtschaft auf den eigenem Territorium, die
aa.) zur Benachteiligung und Unterdrückung von Minderheiten führt,
bb.) einen Verbrauch von Ressourcen, der die Umwelt schädigt,
cc.) soziale Notlagen verursacht,
über das Verfahren im Zusammenhang mit dem Minderheitsstatut und dem Statutum Florianis verhindert werden kann. Auch wird es möglich sein, Verletzungen der Aufsichtspflicht gegenüber den Banken, und alle gemeinsam gefundenen Regelungen der Wirtschaft zu sanktionieren. Dazu gehört mit Sicherheit die Verletzungen des Urheberrechts und des Patentrechts. Man sollte nicht vergessen, dass über das Statutum Florianis, also der Normen zugunsten der Biosphäre Erde und über die Patenschaften der Staaten diese derart vernetzt sind, dass die schlimmsten Auswirkungen einer Wirtschaftskrise verhindert und, wenn sie eingetreten sind, auch beseitigt werden können. Auf jeden Fall werden die Staaten schneller reagieren, als das etwa ein Weltstaat mit einer schwerfälligen Bürokratie es könnte. Bei der Vernetzung der Staaten reichte es nämlich, wenn nur ein betroffener Staat reagiert, denn die anderen Staaten können seine Forderungen zur Lösung des Problems nicht einfach unbeachtet sein lassen. Im Übrigen kann auch ein Weltstaat bei der Lösung eines globalen Problems nur gezielt regionale Eingriffe vornehmen, die dann immer als fremd bestimmende und damit als ungerecht empfundene nicht akzeptiert werden. Werden sie aber nach einem Verfahren vorgenommen, bei dem alle ihren Standpunkt vertreten und, wenn er für richtig gehalten wird, auch durchsetzen können, dann scheint es möglich, auch globale Wirtschaftskrisen einer Lösung zuzuführen. Allerdings wird das Machtverhältnis zwischen den Staaten und der Wirtschaft nicht entscheidend zugunsten der Staaten verändert, es sei denn, man will der freien Marktwirtschaft direkt globale Zügel anlegen. Dann wird sie aber nicht mehr frei, sondern sozialistisch sein.
192 In Deutschland vertraten sonst seriöse Politiker den Staatenpunkt, der Staat sollte durch Steuersenkungen den
Bürgern ermöglichen, zu konsumieren. Daneben bestanden auch sie auf Investitionen des Staaten, finanziert
durch Kredite. Sie wollten, so erklärten sie ernsthaft, allerdings nicht, dass der Staat dadurch in den Bankrott
geriete.
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II.(Das Aggressionsverhinderungsverfahren)
Das Interessendurchsetzungsverfahren muss abgesichert sein durch ein Aggressionsverhinderungsverfahren. Als ich im Jahre 1986 mit der Erarbeitung der Friedensordnung begann, war das Aggressionsverhinderungsverfahren der Anfang meiner Bemühungen. Erst im Verlauf meiner Arbeit ging mir auf, dass ein noch so gut funktionierendes Aggressionsverhinderungsverfahren allein der Menschheit dem „ewigen Frieden“, wenn überhaupt, nur ein kleines Stück näher bringen kann. Der wichtigere Teil der Verfahrensordnung ist die politische Verfahrensordnung, das den Staaten ermöglich, ihre Interessen ohne Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Es wird sich nach meiner jetzigen Überzeugung herausstellen, dass das Aggressionsverhinderungsverfahren mehr oder weniger überflüssig werden wird, wenn den Staaten und den Völkern ein wirksames Interessenverfolgungsinstitut gegeben wird. Das Aggressionsverhinderungsverfahren ist, wenn man es mit innerstaatlichen Normen vergleichen will, eine Mischung aus Strafprozessordnung und Polizeigesetz Das Interessendurchsetzungsverfahren könnte man dagegen mit einer Zivilprozessordnung vergleichen. Der hergebrachte institutionelle Krieg zwischen den Staaten ist praktisch durch die genannte Verfahrensordnung derart überflüssig geworden und überholt anzusehen, dass man sich schlechterdings nicht vorstellen kann, ein Politiker, der auch nur halbwegs seine Sinne beisammen hat, könnte ihn noch vom Zaun brechen. Dennoch muss eine Rechtsordnung auch mit derartigen Irrationalitäten rechnen und sie Möglichkeiten hergeben, darauf zu reagieren. Die Effektivität eines Strafgesetzbuches bemisst sich nicht danach, zu wie vielen Verurteilungen es kommt, sondern wie viele Straftaten durch seine Existenz verhindert worden sind. Ohne das StGB würden in Deutschland mit Sicherheit über 80 Millionen Handlungen täglich! ausgeführt werden, die das Strafgesetzbuch unter Sanktion stellt! Moralvorstellung- und Sittengesetz verhindern allenfalls, dass jeder Bundesbürger am Tage noch eine zweite Unrechtstat begeht.
Das Aggressionsverhinderungsverfahren soll, und deshalb ist seine Konzipierung unbedingt erforderlich, letztlich nicht nur den Krieg verhindern, sondern, jede internationale Aggression oder solche mit internationaler Auswirkung, wie z.B., auch den Terror. Wenn schon den Staaten der Krieg untersagt wird, obgleich sie auf Grund des positiven Souveränitätsdogmas oder des außenpolitischen Gewaltmonopols die Kriegsführungsbefugnis grundsätzlich besitzen, so muss den Privaten erst recht jede Möglichkeit genommen werden, Gewalt mit internationaler Auswirkung zu üben. Wird nur die private Gewalt, d.h. der Bürgerkrieg oder der Terror allein bekämpft und den Staaten generell die gewaltsame Kriegführungsbefugnis belassen, so werden sie weiterhin versucht sein, auf den privaten Terror oder Bürgerkrieg mit dem Krieg als Gegenmittel zu reagieren. So war es fast folgerichtig und natürlich, dass die U.S.A. auf Grund des schweren Terroraktes am 11.9.2001, bei denen das World-Trade-Center und das Pentagon zerstört und Tausende von Menschen
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getötet wurden, den Krieg als einzige angemessene Antwort auf einen derartigen kriminellen Akt hielten.
Das Aggressionsverhinderungsverfahren wird Terrorakte und Bürgerkrieg nicht direkt bekämpfen, wohl aber indirekt. Die Staaten, durch das Kriegsverfahren wieder in ihre volle Souveränität versetzt, werden nicht nur die Gewalt innerhalb ihrer Grenzen effektiv bekämpfen, sondern auch, soweit sie von Ihren Bürgern über ihre Grenzen hinaus geübt wird, d.h. die Staaten sind für die geübte Gewalt, soweit sie Außenwirkung hat, verantwortlich. Diese von ihren Bürgern geübte Gewalt wird ihnen als Aggression, begangen durch Unterlassung (Verhinderung), zugerechnet, so dass sie letztlich dann auch über dieses Verfahren bekämpft werden können. Zur Aufrechterhaltung ihres inneren Friedens können die Staaten im Übrigen über das StF die Hilfe ihres Patenstaates in Anspruch nehmen.193
Auch wenn dem Aggressionsverhinderungsverfahren keine große Bedeutung zukommen und es wohl niemals praktiziert wird, weil die Staaten über das Kriegsverfahren ihre Interessen verfolgen können, muss es dennoch effektiv ausgestaltet werden. Doch sollte man dabei darauf achten, dass die Gewalt nicht noch durch Errichtung größerer Gewaltkonzentrate, also durch ein Weltgewaltmonopol, verdrängt wird, wie das etwa bei der Errichtung eines Weltstaates oder einer Weltföderation oder auch durch Ausstattung der UNO mit einem Eingreiftruppe der Fall wäre. Man sollte nicht, um es volkstümlich zu sagen, Beelzebub mit dem Teufel austreiben. Das Aggressionsverhinderungsverfahren stellt sich somit als ein globales Sicherungssystem gegenüber jede internationale Gewalt dar. Im Gegensatz zu einem Bündnis richtet es sich gegen keine bestimmten Staaten oder Staatengruppierungen, von denen man meint, sich sichern zu müssen, sondern gegen jeden Staat, der Gewalt ausüben und für jeden Staat, der sich bedroht fühlen könnte. Die russische Regierung scheint an ein derartiges Sicherungskonzept zu arbeiten, um die die Bedrohung der NATO von sich abzuwehren.194
1.(Die antizipierte Kriegserklärung)
Die Verhinderung eines Kriegsausbruchs ohne unmittelbare Androhung einer globalen Gewalterwiderung gegenüber dem Aggressorstaat wird weitgehend schon durch die im Entwurf konzipierte antizipierte Kriegserklärung erreicht. Sie bedeutet, dass jeder einzelne Staat mit Unterzeichnung der Internationalen Rechtsordnung (FO) jedem anderen Staat den Krieg erklärt, der es unternimmt, einen anderen Staat militärisch zu überfallen. Ferner erklärt jeder Staat allen anderen Staaten den Krieg, für den Fall, dass er es selbst ist, der einen anderen Staat militärisch überfällt. Die Kriegserklärung ist „antizipiert”, weil sie vorweggenommen und bedingt ist. Sie wird nämlich erst wirksam, wenn die Aggression verübt ist. Sie ist im Übrigen eine Kriegserklärung i.S. des
193 Siehe J IV 5
194 Dmitrij Medwedew im Interview, „Wir waren naiv“ Der Spiegel, Nr. 46/09, S. 104
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Abkommens über den Beginn der Feindseligkeiten vom 18.10.1907. Der Staat, der trotz dieser Verfahrensordnung eine gleichsam antiquierte militärische Aggression beginnt, soll sich auch durch diese Handlung in dem alten antiquierten Kriegszustand, wie ihn Thomas Hobbes beschrieben hat, wiederfinden. Durch diese Kriegserklärung löst nämlich der mögliche Aggressorstaat, ob er es zum Zeitpunkt der Aggression will oder nicht, mit seiner Aggression einen Weltkrieg gegen sich selbst aus, weil er es bei seiner Unterzeichnung der Friedensordnung ja selbst so gewollt hat.
Schon die Konstruktion der antizipierten Kriegserklärung macht deutlich, dass die Gewalthandlungen aus der Sphäre der Realakte in die Rechtssphäre der Willenserklärung verschoben werden, d.h. jede Handlung eines Staates wird rechtserheblich, und der Staat trägt für sie auch die volle Verantwortung. Jede seiner aggressiven oder schädigenden Handlungen, die er entweder selbst vornimmt oder die aus seinem Verantwortungskreis kommt, ohne dass er sie verhindert hat, wird rechtlich qualifiziert und damit in einem Rechtssystem aufgenommen und sanktioniert. Der Staat kann entscheiden, ob im Rahmen einer Rechtsordnung oder weiterhin im Rahmen des ursprünglichen Kriegs- oder Naturzustand durch seine gewaltsamen Handlungen reagiert werden soll. Entscheidet er sich für den Rechtzustand, dann duldet er die Beurteilung und mögliche Reaktion des Aggressionsverhinderungsverfahrens. Unterwirft er sich nicht, dann hat er im Rahmen des Kriegszustandes alle anderen Staaten als feindliche Gegner und er wird von allen Staaten bis zu seiner Vernichtung oder Kapitulation bekämpft. Seine Kapitulation wird für ihn die einzige Chance sein, wieder in die Rechtsgemeinschaft aufgenommen zu werden.
2.(Verlauf des Verfahrens)
Das Aggressionsbekämpfungsverfahren, das wesentlicher Teil des Aggressionsverhinderungsverfahrens ist, wird erst durch die sog. passive Kriegserklärung des überfallenen Staates. (erklärender Staat) ausgelöst. Diese richtet sich gegen den beschuldigten Staat mit der Anschuldigung, eine Aggression im Sinne der antizipierten Kriegserklärung begangen zu haben. Was ein gewaltsamer Angriff ist, ist verhältnismäßig weit gefasst. Insofern zitiere ich hier den Art 5a aus dem Entwurf der FO:
Art. 5a
Einem Angriff i.S.d. Art. 5 Abs. 2 sind folgende Handlungen gleichgestellt:
a.) Die Bedrohung mit einem militärischen Überfall oder die
Ankündigung eines solchen, wenn dabei der Zeitpunkt desselben so
kurzfristig gewählt worden ist, dass eine Abwehr auch nach Art.
26a mit Sicherheit nicht mehr möglich ist,
b.) die Ankündigung oder Anzeige, dass nukleare, chemische,
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biologische und neuartige Waffen zum Einsatz kommen sollen,
c.) die Anwendung einer nuklearen, chemischen, biologischen oder
neuartigen Waffe selbst dann, wenn dies von einer Person ausgeht,
die weder einen derartigen Befehl, eine Anweisung noch eine
Befugnis dazu hatte, die Waffe aber entweder in dem Staatsgebiet
des beschuldigten Staates hergestellt oder aus ihm gelangt ist oder
der Handelnde sich in den letzten 6 Monaten vorübergehend oder
auf Dauer in dem Staatsgebiet aufgehalten hat und er die
Staatsangehörigkeit des beschuldigten Staates hatte,
d.) ein fahrlässiger oder vorsätzlicher dem Umfange nach gravierender
Verstoß gegen ein ersuchtes Verbot gemäß Art. 44 Abs.3
e) Gewalthandlungen i.S.d. Art. 154a .
f.) die vom Generalsekretär festgestellte Weigerung, dem die passive
Kriegserklärung abgebenden Staat angeforderte sachliche und
persönliche Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen
(Art. 43 Abs. 1)
g.) ein Terrorakt i. S. d. Art. 75 Abs.1, wenn der Staat die Personen,
von denen der Terrorakt ausgeht auf seinem Territorium
mindestens einen Monat in Freiheit geduldet hat, obgleich ihm
bekannt war, dass sie Terrorakte begehen werden.
Ein Staat trägt für den Terrorakt einer Organisation, die ihren Sitz
in seinem Hoheitsgebiet hat oder dort ihr Lager unterhält, keine
Verantwortung, wenn vor dem Attentat ein Gesuch gemäß Art. 76
eingereicht hatte oder ihm 3 Monate vor Begehung des Terroraktes
Amtshilfe zur Bekämpfung der terroristischen Vereinigung gemäß
Art. 76 ff verweigert worden war, weil das Vorhandensein einer
Terrororganisation rechtskräftig verneint worden ist.
h.) ein Terrorakt aus einem Staat, der sich zuvor ohne ausreichenden
Grund geweigert hatte, einem Ersuchen des betroffenen Staates zur
Terrorbekämpfung zu entsprechen, wenn er sich innerhalb eines
Jahres nach der Weigerung ereignet hat.
i.) Eingriffe über Viren, Trojaner, Würmer u. dergl. auf die
computergesteuerten Sicherungs- Versorgungs-. Informations- und
Verwaltungssysteme eines Staates über das Internet, Satelliten oder
durch Strahlungen von Drohnen, unabhängig davon, ob diese Systeme
privaten Unternehmen anvertraut sind. Die Aggression in diesem Sinne
begeht der Staat von dem der Angriff ursprünglich ausgeht.
Aus Ziff. e. geht hervor, dass jeder einzelne Staat nach der FO die Verantwortung für seine Staatsbürger und für die Waffen trägt, die sich in seinem Besitz befinden oder die auf seinem Territorium hergestellt werden oder wurden. Entsprechend ist ein Waffenrecht konzipiert, zu dem noch Ausführungen zu machen sind.195 Es versteht sich von selbst, dass jeder Staat unverzüglich nach Wirksamkeit dieser Bestimmung ein restriktives Waffenrecht mit erheblicher Sanktion für seine Übertretung erlassen wird.
Besonders hinzuweisen ist auf Art. 5a Ziff.1 Es ist zu erwarten, dass künftige Kriege durch Angriffe von Robotern, ferngesteuerte Raketen,
195 Siehe J V 6
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Drohnen oder über das Internet durch Viren, Würmen und Trojanern (Cyberkrieg) begonnen werden196, dass der Opferstaat zunächst nicht weiß, allenfalls vermutet, welcher Staat ihn angegriffen und damit den Krieg gegen ihn eröffnet hat. Auch diesen Krieg gegen Unbekannt197 kann er mit der passiven Kriegserklärung eröffnet, so dass er durch das nachfolgende Aggressionsbekämpfungsverfahren sowohl vor weiteren Angriffen geschützt wird und er gute Chancen hat, dass der ihm der anfangs noch unbekannten Aggressorstaat ermittelt und bekämpft wird.
Nach dem Terrorakt vom 11.9 2001 ist unter Art. 5a Ziff. g der militärische Angriff, begangen durch Unterlassung genau definiert. Ein ursprünglich eigens entworfenes Terrorverhinderungsverfahren, das dem Angriffsverhinderungsverfahren im Übrigen weitgehend entsprach, ist wieder fallen gelassen worden. Zwar ist die Terrorgewalt ein internationales Problem, hierbei dennoch im Prinzip ein innenpolitisches, das auch von jedem Staat innenpolitisch durch die Polizeikräfte des Landes und außenpolitisch durch eine Koordinierung der Polizeikräfte gelösten werden muss. 198. Deshalb ist es nur logisch, dass der Terror weitgehend durch ein Amtshilfeverfahren bekämpft wird.
Insoweit wird auf meine nachfolgenden Ausführungen verwiesen.199
Die passive Kriegserklärung geht auch dem Generalsekretär der UNO zu. Bestreitet der beschuldigte Staat die Aggression, so legt er Widerspruch beim Generalsekretär ein, der unverzüglich zwei weitere Verfahren einleitet, das sog. Ermittlungsverfahren , in dem die Anschuldigungen der passiven Kriegserklärung überprüft werden, soweit der beschuldigte Staat sie bestritten hat, und das Sicherungsverfahren. In diesem Verfahren wird das Territorium des angegriffen Staates auf dessen Antrag hin abgesichert und die eingedrungenen Fremdsoldaten werden vertrieben. Das Oberkommando über die Sicherungstruppen erhält der betroffene Staat. Grundsätzlich bleibt auf diese Weise das Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung erhalten, das praktisch als Grundrecht der Staaten in Art.51 UNO-Charta normiert ist.200 Der betroffene Staat braucht allerdings nicht fremde Truppen anzufordern, wenn er meint, aus eigener Kraft sein Territorium absichern zu können. Er muss allerdings, um sein militärisches Vorgehen zu legitimieren, die passive Kriegserklärung abgeben haben und es muss der Aggressorstaat festgestellt worden sein. Staaten, die sich weigern, dem Begehren des Generalsekretärs nachzukommen, Truppen zur Verfügung zu stellen, begehen einen militärischen Überfall durch Unterlassung und befinden sich auf Grund der antizipierten Kriegserklärungen mit allen anderen Staaten im Kriegszustand. Sie können von allen anderen Staaten ohne weitere passive Kriegserklärung selbst überfallen werden, nachdem der Generalsekretär diese von der Weigerung unterrichtet hat. Das entspricht
196 Siehe C VI 2 und 5 a
197 Siehe C IV
198 Siehe C II 10 a und b
199 Siehe J V 4
200 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S.223
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der berechtigten Forderung Czempiels, dass nur im Auftrag der Weltorganisation künftig militärisch agiert werden kann.201 Eine Notwendigkeit, der UNO, dem Sicherheitsrat oder dem Generalsekretär direkt eine Eingreiftruppe zur Verfügung zu stellen202, erübrigt sich daher. Dagegen sollten die Ermittlungsbeamten des gleichzeitig eingeleiteten Ermittlungsverfahrens bereits vor ihrem Einsatz von der UNO für den Fall ihres Einsatzes bestellt werden. Es wird also bei der UNO eine Friedenspolizei zusammengestellt, bestehend aus Polizeibeamten aus möglichst vielen Staaten. Sie stehen dem Generalsekretär auf Abruf zur Verfügung. Die Organisations- und Dienstvorschriften sind in einem besonderen Statut entworfen.
Wird im Ermittlungsverfahren tatsächlich die Aggression des in der passiven Kriegserklärung beschuldigten Staates ermittelt, so wird dieser über den Generalsekretär durch von diesem anzufordernden Truppen so lange bekämpft, bis er die Kapitulationserklärung abgibt, die folgenden Inhalt haben muss.
1.) Verpflichtung der Übernahme aller bisher entstandenen und
noch zu erwartenden Kosten.
2.) Ersatzleistungen für alle durch die Aggression und ihre Bekämpfung
entstandenen Schäden.
3.) Verzicht auf alle Kriegsziele.
Das Aggressionsverhinderungsverfahren kann zweiseitig durchgeführt werden, wenn nämlich beide Staaten oder mehrere Staaten die passive Kriegserklärung mit der jeweiligen Beschuldigung, der andere Staat habe die Aggression begangen, abgegeben haben. In diesem Fall müssen auch beide Parteien Widerspruch einlegen. Da hier nur ein Überblick über die Verfahren gegeben wird, sollen weitere Ausführungen dazu nicht gemacht werden.
3.(Folgen des Verfahrens)
Ist ein Staat als Aggressorstaat überführt, so wird er so lange aus der Staatengemeinschaft ausgeschlossen, bis die die Aggression zu verantwortende Regierung abgelöst ist, allerdings werden durch den Ausschluss die durch die Kapitulationserklärung begünstigten Staaten nicht an der Durchsetzung ihrer Rechte auch während des Ausschlusses gehindert, so dass auch dem Aggressorstaat rudimentäre Verteidigungsrechte noch zustehen.
Dass ein Staat sich unter diesen Umstanden einen militärischen Angriff leistet, ist wohl unvorstellbar. Vielleicht kann man gegen das Verfahren einwenden, dass das Aggressionsverhinderungsverfahren die Staaten dazu zwingt, bewaffnet zu bleiben. Das ist richtig. Doch kann diese Eigenbewaffnung äußerst maßvoll ausfallen, da man schon auf Grund der antizipierten Kriegserklärung und auf Grund des den Staaten zustehenden gewaltlosen Interessendurchsetzungsinstituts (politischen
201 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S.160
202 So Ernst-Otto Ccempiel, Die kluge Macht, S. 160
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Verfahrensordnung) nur theoretisch mit einem militärischen Überfall zu rechnen hat. Auf jeden Fall wird kein internationales Gewaltmonopol installiert, das größer sein müsste, als das des mächtigsten Staates der Gemeinschaft. Hierzu sollen weitere Ausführungen zum internationalen Waffenrecht, das ebenfalls Bestandteil der FO ist203, folgen.
Die Schwäche des Verfahrens scheint nun darin zu liegen, dass zur Bekämpfung der Aggression kein Träger einer internationalen Streitmacht zur Verfügung steht und dass der Generalsekretär, der das Verfahren leitet, auf die Solidarität der Staaten angewiesen zu sein scheint.204 Gesagt ist schon, dass die Weigerung eines Staates, der Truppenanforderung des Generalsekretärs nachzukommen, eine Aggression, begangen durch Unterlassung darstellt, so dass der sich weigernde Staat die Gegnerschaft aller Staaten auf sich zieht, und zwar nicht zuletzt auf Grund der antizipierten Kriegserklärung. Damit scheint mir die Errichtung eines Weltgewaltmonopols, wie es ein Weltstaat für sich in Anspruch nehmen müsste, überflüssig zu sein. Das Verfahren ist nicht nur so ausgelegt, dass ein Fall der Weigerung ausgeschlossen erscheint, sondern es wird auch zur Folge haben, dass jeder Staat so schnell wie möglich versucht, Unterzeichnerstaat zu werden und es zu bleiben. Ein Staat, der das Verfahrensstatut ( FO ) nicht unterzeichnet hat und sich somit weiterhin im philosophischen Sinne im Kriegszustand mit allen Staaten befindet, kann nämlich auch von jedem Staat straflos überfallen werden. Angenommen ein Unterzeichnerstaat überfällt einen Nichtunterzeichnerstaat militärisch, um ihn auszurauben und gibt gleichzeitig die passive Kriegserklärung ab, mit der kühnen Behauptung, er sei überfallen worden. Es müsste der tatsächlich überfallene Staat sich jetzt mit einem Widerspruch dagegen wehren. Er kann es aber nicht, da er nicht Unterzeichnerstaat ist. Für den Generalsekretär und damit auch für die Staatengemeinschaft steht fest, dass der überfallene Staat der Aggressorstaat ist, der bis Ultimum bekämpft werden kann. Der tatsächliche Aggressorstaat kann sogar fremde Truppen zur Verwirklichung seines Raubzuges anfordern. Der überfallene Staat wird sich nur noch dadurch retten können, dass er unverzüglich die Urkunde der politischen Verfahrensordnung unterzeichnet, damit er Widerspruch einlegen oder zumindest die Kapitulationserklärung abgeben kann. Es erscheint unvorstellbar, dass ein Staat sich in eine solche Lage bringen möchte. Es ist daher davon auszugehen, dass nach Unterzeichnung des Statutes durch wenige Staaten ein Sog zur Unterzeichnung durch alle anderen Staaten einsetzen wird. Können von der politischen Verfahrensordnung der FO nur die Unterzeichnerstaaten profitieren und sind auch nur diese Staaten betroffen, so spricht das Aggressionsverhinderungsverfahren nicht nur die Unterzeichnerstaaten, sondern die Staaten insgesamt an. Es profitieren aber allein die Unterzeichnerstaaten, die anderen Staaten setzen sich dagegen einem verschärften Kriegs- oder Naturzustand aus. Sie können nicht nur ohne
203 Siehe J V. 6
204 Siehe hierzu den Hinweis in IV 5.
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Konsequenzen attackiert werden, sondern werden ihre Interessen nicht mehr effizient verfolgen können, denn weder das STGH noch die politische Verfahrensordnung steht ihnen hierfür zur Verfügung. Sie sind praktisch vogelfrei. Sie werden dieselbe Stellung einnehmen, wie sie Räubern, Dieben und Mördern in einer Rechtsgemeinschaft zukommt.
4.(Terrorbekämpfung)
Zusätzlich zu dem Aggressionsverhinderungsverfahren ist ein Terrorverhinderungsverfahren entwickelt worden. Dieses Terrorverhinderungsverfahren soll den außenpolitischen Terror bekämpfen. Der Terror wurde nach dem ersten Entwurf zur FO durch zwei besondere Verfahren bekämpft. Das eine war das Amtshilfeverfahren, auf Grund dessen ein Staat zur Bekämpfung der Terrororganisationen im eignen Land Hilfe in Anspruch nehmen kann und unter Umständen auf Antrag eines vom Terror bedrohten Staates auch in Anspruch nehmen muss. Das andere Verfahren war das unmittelbare Terrorbekämpfungsverfahren, das von einem durch Terror bedrohten oder geschädigten Staat in Anspruch genommen werden konnte und zwar gegen den Staat, von dem der Terror ausgeht. Da aber der Terror selbst im wesentlichen durch das Aggressionsverhinderungsverfahren selbst bekämpft werden kann205, indem man den Terrorakt als Angriff durch Unterlassung eines Staates wertet, ist das Terrorbekämpfungsverfahren aus dem Entwurf wieder entfernt worden.
Der Terror ist ein Phänomen, das alle Staaten in ihrer Existenz bedroht. Das Amtshilfeverfahren geht davon aus, dass jeder Staat, auf dessen Territorium Terroristen oder deren Organisationen sich aufhalten, diese schon von sich aus im Rahmen seiner Möglichkeiten bekämpft. Diese Notwendigkeit besteht für ihn schon deshalb, weil, wenn tatsächlich von seinem Lande Terror ausgehen sollte, er durch das oben geschilderte Aggressionsverhinderungsverfahren als Angreiferstaat belangt werden kann. Wenn er sich nicht in der Lage sieht, die Terroristen und deren Organisationen mit eigenen Mitteln zu bekämpfen, kann er über den Generalsekretär ein Ersuchen auf Hilfe stellen, so dass ihm von einem anderen (ersuchten) Staat entweder polizeiliches oder militärisches Personal und solches der Justiz zur Verfügung gestellt wird. Wenn andere Staaten erfahren, dass sich innerhalb seiner Grenzen Terroristen oder deren Organisationen aufhalten, kann er im Rahmen des Bedrohungsverhinderungsverfahrens ebenfalls über den Generalsekretär aufgefordert werden, das oben genannte Ersuchen zu stellen.206 Nur wenn er ein derartiges Ersuchen gestellt oder vergeblich um Hilfe ersucht hatte, kann er sich von dem Vorwurf entlasten, eine Aggressorstaat im Sinne des Aggressionsverhinderungsverfahren zu sein.
Der jeweils ersuchte Staat wird dem Ersuchen nachkommen müssen. Hat er keine Gründe, die Hilfe zu verweigern, ist er auch für den Terrorakt
205 Siehe hierzu F II 2 b hh und F VI 6 a aa,
206 Siehe hierzu J V 5 b
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mitverantwortlich, wenn dieser von Terroristen oder deren Organisation dem Territorium des ersuchenden Staates aus verübt worden ist.
Hätte der Libanon im Jahre 2006 rechtzeitig einen befreundeten Staat, etwa Ägypten oder Deutschland, gebeten, die Hisbollah im Lande zu entwaffnen, so wäre er nicht von Israel mit Krieg überzogen worden. Dadurch wird offensichtlich, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine Verpflichtung eines jeden Staates ist und dass deshalb auch jeder einzelne Staat verpflichtet ist, sich gegen einen Staat zu wenden, der dieser Verpflichtung, gleich aus welchen Gründen, nicht nachkommt. Dadurch, dass ein Dritter, also ein nicht betroffener Staat, den Anspruch des betroffenen Staates vollstreckt, ist eher davon auszugehen, dass dies ohne direkte feindliche Emotionen geschieht und dass auch die Gewalt nur soweit eingesetzt wird, wie das unbedingt erforderlich ist. Wenn das hier skizzierte Verfahren schon am 11. 9. 2001 den Staaten zur Verfügung gestanden hätte, so hätten die U.S.A. gegenüber Afghanistan einen Anspruch gehabt, die Terrororganisationen im eigenen Land selbst zu bekämpfen oder durch einen anderen Staat bekämpfen zu lassen.. Sinnvoll wäre gewesen, diesen Auftrag Pakistan zu erteilen. Wäre Pakistan dem Auftrag nicht nachgekommen, so hätte dieses Land die Feindschaft aller Staaten auf sich gezogen und jeder Staat wäre berechtigt und verpflichtet gewesen, Pakistan nach Weisung des Generalsekretärs anzugreifen. Wenn Pakistan schon jetzt den U.S.A. Hilfe zur Bekämpfung der Terrororganisation in Afghanistan gewährt, so hätte dieses Land unter dem Druck des Verfahrens es sicherlich in kürzester Zeit mit geringem Aufwand geschafft, Osama bin Laden und seine Helfer dingfest zu machen. Im Übrigen möchte ich auf meine Schrift auf den in Aussicht gestellten 2. Band verweisen.
5.Bedrohungsverhinderungsverfahren)
An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, zu dem ,Aggressions- noch ein Bedrohungsverhinderungsverfahren vorgeschaltet ist, das vor Beginn einer Aggression einem Staat ermöglicht, die Gefahr einer drohenden Aggression über die UNO und die Staatengemeinschaft zu beseitigen. Mit diesem Verfahren wird der Staatengemeinschaft insgesamt das präventive, wenn nicht sogar das präemptive Verteidigungsrecht eingeräumt, das eigentlich jetzt schon der UNO in Art. 39 UC für den Sicherheitsrat. eingeräumt ist.207
Der Übergang von einem Verfahren zu dem Aggressionsverfahren ist möglich.
Eine Bedrohung eines Staates durch einen anderen wird insbesondere in dem Besitz sog unzulässiger Waffen208 und in der Duldung von Terroristen und ihren Organisationen gesehen. Eine Bedrohung wird auch darin gesehen, wenn ein Staat sich nicht, wie vorgeschrieben, jährlich zum Gewaltverzicht bekennt und die antizipierte Kriegserklärung nicht abgibt.
207 Siehe F II 2 b kk u. ll
208 Siehe hierzu die nachfolgende Ziff. 6
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Zur FO, die ja nur einmal unterzeichnet wird, muss zumindest einmal im Jahr ein Bekenntnis abgelegt werden. Sie ist Teil eines Sicherungssystems, das wie bei der Sicherung gefährlicher Anlagen entweder regelmäßig überprüft oder durch Bekenntnisse in Aktivität gehalten werden muss. Es wird in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die Staaten außerhalb der Geltung der FO in einem Kriegs- oder Naturzustand, also unter existentieller, ständiger Bedrohung stehen.209.
6.(Internationales Waffenrecht)
Es sind die Waffen, die die Art und Weise der Kriegsführung bestimmen. Sie sind Auslöser von Aggressionen und damit von Kriegen und, wenn sie in falsche Hände geraten, Auslöser von Terrorakten und Bürgerkriegen.210 Allein ihr Besitz schafft die Ausgangslage von Kriegen, wie Pulverfässer die Gefahr in sich bergen, durch Explosionen Tod und Vernichtung zu verursachen. Die schrecklichen Zustände in den Bürgerkriegen und den wilden Kriegen in Afrika sowie und das gewaltigen Ausmaß der terroristischen Aktionen sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Kolonialmächte ihre Waffen in Afrika nach deren Räumung zurückgelassen hatten und dass ihre Aufbauhilfe für die neuen Staaten im wesentlichen sich darin erschöpfte, diese aufzurüsten. Im Übrigen boten sie die schrecklichsten Waffen auf den freien Markt für jedermann feil.211 Mit einem wirksamen und detaillierten Waffenrecht kann daher vor allem der Terrorismus weitgehend gebannt und können die Bürgerkriege verhindert werden.
a.(Die Verwaltung der Waffen)
Nach den oben beschriebenen Verfahrenskonzepten ist es zur Herstellung des Weltfriedens nicht erforderlich, dass die Staaten abrüsten. Es wäre vielmehr sogar schädlich, wenn sich die Staaten in der Annahme. es sei der „ewige” Frieden ausgebrochen, aller Waffen entledigen würden. Denn die Waffen werden trotz Inkraftsetzung der genannten Verfahren notwendig sein, einen Aggressorstaat zu bekämpfen, der unter Hinwegsetzen über das bestehende Interessendurchsetzungsinstitut (politische Verfahrensordnung) seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen bereit ist. Ferner wird militärische Gewalt bei der Zwangsvollstreckung im Kriegsverfahren und bei der Nothilfe eines Patenstaates gegenüber einem im Bürgerkrieg befindlichen Staat benötigt. Eine totale weltweite Abrüstung, die sicherlich friedenserhaltende Wirkung haben würde, 212wäre für die Waffenproduktionsstätten und den Handel mit Waffen ein nicht hinzunehmender geschäftsschädigender Akt. Die Waffenproduzenten und -händler würden sich mit all ihrer nicht zu unterschätzenden Macht
209 Siehe B III 3 c
210 Siehe hierzu B V 21
211 Siehe B V 21
212 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S, 208
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dafür einsetzen, dass die FO in der vorgeschlagenen Form nicht wirksam würde.213 214 215 216Auch können sich die Staaten eine totale Abrüstung wegen der weltweiten Aufrüstung der Privaten gar nicht leisten. Das Aggressions- und Bedrohungsverhinderungsverfahren setzen vielmehr voraus, dass es Staaten gibt, die sich der Aggressionen anderer gegenüber mit Erfolg erwehren können.
Wenn nun die Waffen tatsächlich nur noch dem Weltfrieden und der Durchsetzung erstrittener Rechtstitel dienen sollen, wird es erforderlich sein, dass ihre Existenz, ihre Besitzer und Lagerungsorte dem Verfahrensleiter der genannten Verfahren, nämlich dem UNO-Generalsekretär, bekannt sind. Es ist daher vorgesehen, dass alle Staaten alljährlich dem Generalsekretär im Detail einen Bericht vorlegen, aus dem der Bestand an Waffen, deren jeweilige Wirkung, deren Besitzer und Lagerungsorte genau hervorgehen. Dabei muss auch jede Waffe individualisiert aufgezeichnet sein. Es wird damit praktisch von allen Staaten ein um ein Vieles umfassenderer und detaillierterer Bericht abverlangt, als der es war, den der Irak in den Jahren 2002/3 der UNO erstatten musste. Denn in diesem sollte nur Auskunft über im Lande vorhandene Massenvernichtungswaffen gegeben werden. Jede Waffe wird außerdem mit einem besonderen Kennzeichen versehen und mit diesem registriert und einem Waffenträger in dem Bericht zugeordnet. Waffen, die nicht auf diese Weise gekennzeichnet, registriert und verwahrt sind, werden zu sog. unzulässigen Waffen. Sie stellen für Staaten, die sie mit ihrer zerstörerischen Wirkung erreichen könnten, eine Bedrohung dar, so dass diese über das Bedrohungsverhinderungsverfahren den Missstand wirksam abstellen können. Außerdem steht jedem Staat das Recht zu, von anderen Staaten zu fordern, dass sie den Berichtsauflagen nachkommen, so dass jeder Staat jeden anderen zur Erfüllung diese Pflicht auf Grund der politischen Verfahrensordnung einklagen kann. Staaten, die es zugelassen haben, dass Waffen in Besitz von Unbefugten sind, haften für alle Konsequenzen, die sich daraus ergeben. 217 Auch der jeweilige Produzent der Waffen ist anzugeben. Stellt sich in einem Ermittlungsverfahren des Aggressionsverhinderungsverfahrens heraus, dass nicht registrierte oder im Bericht falsch oder unvollständig erwähnte Waffen aus einem bestimmten Land stammen oder dort produziert sind, so kann dieser Staat im Aggressions- oder Terrorverhinderungsverfahren durch Beweisregeln, die das so vorsehen, als Aggressor überführt werden. Die strenge Verwaltung der Waffen gehört also zu den die eigene Existenz sichernden Verpflichtungen eines jeden Staates. Das Abhandenkommen auch nur einer einzigen Pistole ist unverzüglich zu melden. Nur so hat der Staat eine Chance, für die Schäden, die durch diesen Verlust entstehen könnten, nicht zur Verantwortung gezogen zu
213 Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 209
214 Siehe hierzu B V 20
215 Siehe B V 21
216 Siehe hierzu B V 20
217 Für Kernwaffen soll der ehemalige deutsche Außenminister Kinkel bereits ein derartiges
Register vorgeschlagen haben. Ernst-Otto Czempiel, Die kluge Macht, S. 208
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werden. Diese Berichts- und Verwahrungspflicht sichert den Staaten das innen- und außenpolitische Gewaltmonopol.
Auf der anderen Seite sollte ein Staat jedoch auch nicht unterbewaffnet sein, so dass er seiner Friedenspflicht nicht nachkommen kann. Er kann deshalb vom Generalsekretär angewiesen werden nachzurüsten. Sollte sein Bestand von Waffen zu groß sein, so können dem betreffenden Staat Abrüstungsauflagen gemacht werden. Wenn ein Staat der Aufforderung des Generalsekretärs abzurüsten nicht nachkommt, liegt hierin eine Bedrohung i.S. des Bedrohungsverhinderungsverfahrens.
Im Ergebnis stellt sich das hier konzipierte Waffenrecht als stärkste Sicherung des Gewaltmonopols der Staaten dar.
b.(Die geborenen unzulässigen Waffen)
Waffen können, wie unter Ziff.a dargetan ist, zu unzulässige werden. Es gibt aber auch geborene unzulässige Waffen, d.h. diese sind bereits mit ihrer Herstellung unzulässig. Für die internationale Rechtsordnung ist es unabdingbar, dass Waffen, mit denen undifferenziert Gewalt geübt wird, verboten werden. Sie werden als unzulässige Waffen definiert. Dazu gehören im Prinzip alle Massenvernichtungswaffen, also alle chemischen und biologischen und nuklearen Waffen, aber auch sog. Streuwaffen. Sie sind im Jahre 2010 bereits durch eine Konvention verboten worden. Leider haben die wichtigsten Besitzer dieser Waffen, nämlich die U.S.A., Russland und China diese Konvention nicht unterzeichnet
Neuartige Waffen, das sind solche, die nach dem Wirksamwerden der FO, erfunden werden, können nur mit Genehmigung des Generalsekretärs produziert werden. Wird diese Genehmigung nicht erteilt so sind sie ebenfalls unzulässige Waffen. Atomwaffen dürfen die Staaten besitzen, die sich als Atommächte etablieren wollen. Jeder andere Staat, der diese unzulässigen Waffen besitzt, begeht eine Bedrohung i.S. des Bedrohungsverhinderungsverfahren gegenüber jedem anderen Staat, d.h. jeder andere Staat kann über die politische Verfahrensordnung und im ordentlichen Verfahren die Beseitigung dieser Waffen verlangen. Den Staaten, denen der Besitz von Nuklearwaffen gestattet ist, erwachsen hieraus besondere Verpflichtungen, insbesondere bei der Bekämpfung einer atomaren Aggression. Der Einsatz der Atomwaffen darf nur unter rechtlicher, tatsächlicher, d.h. physischer Mitwirkung des Generalsekretärs erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass es daher für die meisten Staaten wenig attraktiv sein wird, Atommacht zu sein.
c.( Verantwortlichkeit für die Waffen).
Lässt sich angesichts einer atomaren Aggression zum Beispiel nicht feststellen, welcher Staat diese begangen hat, so haften alle Atommächte für die Schäden und Kosten gesamtschuldnerisch. Im übrigen sind in dem Ermittlungsverfahren des Aggressionsverhinderungsverfahrens die registrierten Besitzer der unzulässigen Waffen, soweit sie der FO nicht
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beigetreten sind, ebenfalls als Aggressoren festzustellen, und zwar selbst dann, wenn sie der Aggression nicht beschuldigt worden sind, aber die Waffen bei der Aggression verwendet worden sind. Voraussetzung ist allein, dass unzulässige Waffen nachweislich aus dem Besitz des Staates oder eines seiner Staatsangehörigen – und wenn das nicht ermittelt werden kann, aus einer Produktionsstätte des Staates – stammen. Sie werden sich gegen diese Feststellung nicht wehren können, wenn sie die FO nicht unterzeichnet haben. Sie werden die Unterzeichnung zwar nachholen können, um so der Feststellung widersprechen zu können. Sie bleiben dann aber trotzdem beschuldigt, weil sie zuvor des Besitzes der unzulässigen Waffen überführt worden sind, können sich aber in dem weiteren Verfahren verteidigen. Unterzeichnerstaaten können auch als Aggressoren festgestellt werden, wenn sie ihre unzulässigen Waffen zur Zeit der Aggression noch nicht beseitigt hatten und selbst dann, wenn sie sie beseitigt hatten, aber dieses nicht durch einen Überprüfungsbericht der Friedenspolizei hatten dokumentieren lassen. Alle diese Staaten können sich im Widerspruchsverfahren dadurch wehren, dass erneut nach dem wahren Aggressor gefahndet wird. Gelingt diese Überführung des Aggressors nicht, so bleiben sie beschuldigt. Das bedeutet, dass auf jeden Staat bei seiner Unterzeichnung der FO ein gewaltiger Druck zur Abrüstung dieser Waffen ausgeübt wird. Gleich ob Unterzeichnerstaat oder nicht, das Vorhandensein dieser Waffen ist für den Besitzerstaat selbstmörderisch.
III.(Wirksamwerden der FO)
Die FO erlangt bereits eine Wirksamkeit, wenn nur zwei Staaten sich bereitfinden, sie als völkerrechtlichen Vertrag zu ratifizieren. Sie bekommt dann allerdings nur zwischen den beiden Unterzeichnerstaaten ihre Gültigkeit. Das bedeutet zunächst nichts anderes, als dass es zwischen diesen Staaten keine militärische Gewalt mehr gibt, und sie gegen jede außenpolitische Gewalt, wenn sie gegen einen der den Vertrag unterzeichnenden Staat geübt wird, ohne Wenn und Aber zusammenstehen.
Zur Wirksamkeit gehört allerdings weiter, dass sie mit der FO und ihren Begleitstaaten eine Friedensorganisation gründen. Diese ist wie die UNO in der zu ändernden Fassung organisiert.(Statut zur Begründung der Friedensorganisation, (FOrg)). Das ist notwendig, da die Institutionen der UNO, wie der Generalsekretär, der IGH und die Generalversammlung, bis zur Ratifizierung der Statuten durch die UNO oder durch alle Staaten, noch nicht zur Verfügung stehen.218
Bis dahin steht den Unterzeichnerstaaten anstelle des Generalsekretärs der Friedenskanzler, anstelle der Generalversammlung die Friedensversammlung und anstelle des IGH das Internationale Friedensgericht zur Verfügung. Auch Staaten, die bereits Mitglieder der
218 Auf jeden Fall kann die UNO sich erfolgreich dagegen wehren, dass der Generalsekretär und auch ihre anderen
Organe die Aufgaben der FO übernehmen.
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UNO sind und die FO und ihre Begleitstatuten akzeptieren wollen, müssen also dieser Organisation zunächst beitreten und die FO für sich akzeptieren. Keinem Staat kann der Beitritt verweigert werden.
Die Friedensorganisation und mit ihr die Wirksamkeit der FO werden mit sich steigernden Zahl der beitretenden Staaten wachsen. Zwischen ihren Mitgliedern herrschen Frieden und Sicherheit, während die Nichtunterzeichnerstaaten weiterhin im Kriegszustand gegeneinander verharren. Deren potenzielle Bedrohung von Gewalt und internationaler Unsicherheit wird mit der Vertragsunterzeichnung und mit jedem Beitritt eines Staates zur Friedensorganisation wachsen, denn während der Raum des Kriegszustandes enger und für die darin befindlichen Staaten immer bedrängender wird, dehnt sich die Friedenszone immer weiter aus. Greift ein Unterzeichnerstaat einen Nichtunterzeichnerstaat militärisch an und gibt gleichzeitig die passive Kriegserklärung ab, so bleibt dem Friedenskanzler nichts anderes übrig, als Truppen zu organisieren die den Unterzeichnerstaat unterstützen. Der Nichtunterzeichnerstaat kann dagegen keinen Widerspruch erheben, es sei denn er erklärt gleichzeitig seinen Beitritt zur Friedensorganisation und unterzeichnet die FO. So ist es nur natürlich, dass ein Sog zur Unterzeichnung der FO und zum Beitritt der neuen Organisation entsteht und es nur eine Frage der Zeit ist, dass alle Staaten der Friedensorganisation beitreten oder dass die UNO diese mit der entsprechenden Mehrheit für sich akzeptiert. In diesem Moment löst sich die Friedensorganisation auf, und die UNO tritt mit ihren Organen an ihre Stelle. Bis dahin existieren Friedensorganisation und UNO nebeneinander. Die UNO wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass neben ihr eine Organisation entsteht, die wirksam Frieden schafft und die später in dank ihrer erwiesenen Wirksamkeit mit ihr verschmelzen wird. Die FOrg sieht vor, dass der Friedenskanzler ständig in Kontakt mit dem Generalsekretär steht. Die Friedensorganisation kennt ein Pendant zum Sicherheitsrat nicht. Das Statut zur Änderung der UNO-Charta beseitigt den Sicherheitsrat allerdings nicht, so dass die Mitglieder dieses Gremiums ein Interesse daran haben werden, dass die Friedensorganisation in der UNO aufgeht.
IV. Künftige Rolle des Militärs
In den vorigen Kapiteln ist dargetan,219 dass die Staatsmacht im Wesentlichen nur noch mit seinem Gewaltpotential des Militärs begründet ist. Ihre politischen Einflussmöglichkeiten stehen in Proportion zu den militärischen Gewaltmitteln, über die sie verfügen. Seine nationale Wirtschaftsmacht ist in die globale Wirtschaft aufgegangen d.h. sie agiert von ihm weitgehend selbständig und steht als Machtmittel ihm größtenteils nicht mehr zur Verfügung. Von der Wirtschaftskraft in seinem Lande kann der Staat auch finanziell immer weniger profitieren, da er nur noch bedingt und im immer geringeren Maße Steuern zu erheben vermag, weil er sonst fürchten muss, dass ein erhöhter Steuerdruck zur Flucht der
219 Siehe D I
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Unternehmen ins Ausland führt220. So kann die politische Verfahrensordnung in der Tat dazu führen, dass die Staaten mit der Verfügungsgewalt über ihr Militär tatsächlich ihre Macht verlieren und sie durch das Verfahren praktisch gleich gemacht werden. Zwar standen den Staaten schon seit 1928 auf Grund des Kellogg-Paktes ihr Militär nur noch zur Selbstverteidigung und Aggressionsbekämpfung zur Verfügung, doch war diese ihnen auferlegte Beschränkung mangels Erzwingbarkeit praktisch nicht wirksam.221 Wenn nun die Verfahrensordnung den militärisch gerüsteten mit der Aufgabe betraut, das Völkerrecht zu vollstrecken, so kann man allein hierin eine Machtposition erblicken.
Zudem ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, dass der Kampf zwischen der Staats- und der globalen Privatmacht keineswegs bereits endgültig zugunsten letzterer entschieden ist. So ist den U.S.A., Russland und China, jeder der genannten Mächte aus anderen Gründen, gelungen, sich für ihre Zwecke der Privatmacht zu bedienen222 Außerdem ist davon auszugehen, dass die Staaten sich in diesem Konflikt und in dem Kampf gegen den Terrorismus223 miteinander solidarisieren werden und vom Territorialsystem224 weitgehend abrücken oder dieses derart modifizieren werden, dass sie die Kraft ihrer Völker zum Ausbau ihrer Macht einsetzen werden.225 Es ist davon auszugehen, dass nach Wirksamwerden der politischen Verfahrensordnung die Staaten mit der Erlangung ihrer vollen Souveränität erneut an Macht gewinnen werden, so dass diese ihre Macht ein Verfahrensfaktor werden kann.
V.(Die neue Politik)
Wenn militärische Gewalt nur noch zur Bekämpfung eines Aggressors und zur Vollstreckung von Rechtstiteln, also im internationalen Auftrag, eingesetzt wird, dann kann sie nicht mehr als Druckmittel im diplomatischen Spiel oder auf andere Weise (Kommunikationsstufe 2226) wirken, d.h., sie verliert an politischer Bedeutung. Ein militärisch gut gerüsteter Staat behält natürlich seine positive Stellung innerhalb der Staatengemeinschaft, weil er als Vollstrecker- ,Paten- und Vormundschaftsstaat von den übrigen Staaten favorisiert wird. Aus den bisherigen Ausführungen ist aber mit hinlänglicher Klarheit zu entnehmen, dass der Krieg schon heute als Interessendurchsetzungsinstitut nicht mehr in Betracht kommt und damit die Nutzung der militärischen Potenz praktisch ausfällt. Nach Zangl und Zürn gehört diese Feststellung zu den Hypothesen postnationaler Politik.227 Sie kann nur noch im Konsens der Staatengemeinschaft, also
220 Siehe D I 7 j
221 Siehe F III
222 Siehe hierzu D I 7 n bb
223 Siehe C II 10 b
224 Siehe D VI 10, J II
225 Siehe hierzu auch H II und IV 6 und D VI 12
226 Siehe B V 4 a bb
227 Bernhard Zangl und Michael Zürn, Frieden und Krieg, S. 290
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im allgemeinen Interesse eingesetzt werden.228 Das Problem, dass Internationale Organisationen keine eigenen Ressourcen zur Verwirklichung ihrer Ziele haben229 und die Ausübung der Politik wie die militärische Gewalt bei den Staaten verbleibt, stellt sich in der politischen Praxis im Rahmen der politischen Verfahrensordnung nicht mehr, da die Staaten die Akteure der Politik bleiben und sich allenfalls selber internationalen Institutionen als Dienstleister bedienen. Dass die politische Debatte und damit die Weltöffentlichkeit weitgehend den Verlauf des politischen Geschehens beeinflussen wird, bleibt Kennzeichen der modernen Politik. Die entscheidenden Auseinandersetzungen werden allerdings konzentriert in geregelten Abläufen innerhalb der Generalsversammlung, d.h. in der 2. Verhandlungsstufe des politischen Verfahrens geführt.230
Im Übrigen müssen die Staaten schon deshalb bewaffnet bleiben, damit sie innerstaatlich eindeutig weiterhin auch das Gewaltmonopol ausüben können. Es muss immer sichergestellt bleiben, dass keine Privatmacht einen Staat im Besitz von Gewaltmitteln an Stärke übertrifft.
Entscheidend dafür wird es aber sein, dass die Staaten sich streng an die Auflagen des Generalsekretärs halten, ihre Waffen sicher unter Verschluss halten und vor Missbrauch schützen, dass international eine sog. Produktenhaftung eingeführt wird. Danach hat sowohl der ursprüngliche Besitzer als auch der Hersteller der Waffen zusammen mit dem Täter für jeden Schaden gesamtschuldnerisch zu haften, der mit ihnen angerichtet worden ist,. Eine derartige Haftung halte ich im Kampf gegen die Verbreitung der Waffen oder gegen den Waffenhandel insgesamt für effizienter, als es jedes Waffenverbot wäre. Die Minenopfer könnten so nicht nur von dem schwer auszumachenden Minenleger ihre immensen Schadensersatzansprüche, einschließlich Schmerzensgeld, verlangen, sondern auch von der Herstellern dieser Produkte und den Staaten, aus deren Beständen sie stammen oder unter deren Regierung sie hergestellt worden sind. Es ist erstaunlich, dass derartige Ansprüche bisher noch nicht gestellt worden sind, denn auch ohne eine internationale Vereinbarung der genannten Art ließe sich schon heute ein derartiger Anspruch begründen.
VI. (Das Recht zum Töten nach Wirksamwerden der FO)
Es wurde bereits ausgeführt, dass der Krieg auch dann einen Rechtfertigungsgrund für das Töten darstellt, wenn er im Widerspruch zu den bisherigen Bestimmungen des Kellogg-Paktes und der UNO-Charta unzulässigerweise geführt wird.231 Der praktische Grund dafür liegt im Wesentlichen darin, dass man diejenigen, die die Kampfhandlungen ausführen, nicht von vornherein diskriminieren will. Außerdem soll auch
228 Bernhard Zangl und Michael Zürn, a.a.O., S, 291
147.. So Bernhard Zangl und Michael Zürn, a.a.O. , S.293
230 Bernhard Zangl und Michael Zürn, a.a.O., S. 293
231 Siehe F III 4 Allerdings gilt das nur für Kriege die formell noch als Kriege i.S. des Völkerrechts zu werten
sind, also insbesondere nicht für Bürgerkriege und Terrorakte und für asymmetrische Krieg nur dann, wenn
der Staat sich im Verteidigungsnotstand befindet. Siehe hierzu B III 3 f und C III 2
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das humanitäre Völkerrecht in dem unzulässigerweise geführten Krieg gelten. Wäre nämlich das Töten durch einen Soldaten eines Aggressionsstaates als Mord und Totschlag zu qualifizieren, so könnte man von diesen Soldaten nicht erwarten, das Kriegsrecht zu beachten.232 Ein weiterer und wesentlicher Grund ist darin zu sehen, dass weder der Kellogg-Pakte noch die UNO-Charta von derartiger Wirksamkeit sind, dass sie eine internationale Rechtsordnung darstellen könnten, die den Krieg wirksam verhindert. Diese Qualität wäre allerdings der FO, falls sie von den Staaten akzeptiert wird, zuzusprechen, wenn sie auch lediglich eine politische Verfahrensordnung ist und kein Gewaltmonopol begründet. Durch die FO wäre den Staaten nämlich das Kriegsverfahren anstelle des gewaltsamen Krieges zur Verfügung gestellt. Sie erfüllt die wichtigsten Voraussetzungen einer Rechtsordnung.
1.) Die Möglichkeit der Durchsetzung des eigenen Rechts (und darüber hinaus sogar des eigenen Interesses).
2.) Die Sicherheit vor jeder Art illegitimer Gewalt.
Man kann also nicht umhin, dieser FO die Qualität einer Rechtsordnung zuzuschreiben, wie man auch einer Gesellschaft die Qualität eines Staates zubilligen müsste, wenn ihr einziger Zwecke darin bestände, die Gewalt unter deren Mitgliedern zu verhindern, indem sie ihnen ein Strafgesetzbuch, eine Strafprozessordnung sowie eine Zivilprozessordnung und die Gerichte zur Verfügung stellte.
Nun heißt es aber in Art. 66 FO (Aggressionsbekämpfungsverfahren), dass das bisherige Kriegsrecht gilt. Kann man nun die Einhaltung dieses Rechts von einem außerhalb der FO agierenden Aggressorstaat erwarten, wenn durch die FO die Tötung von dessen Soldaten nicht gerechtfertigt ist und diese nach der Bekämpfung dieser Soldaten wahrscheinlich wegen Totschlags oder Mordes zur Verantwortung gezogen werden? Halten sie sich nicht an das Kriegsrecht, so entfällt die Verpflichtung auf Beachtung desselben natürlich auch für die den Aggressorstaat bekämpfenden Truppen. Diese Konsequenz ergibt sich unmittelbar aus dem Kriegsrecht selbst. Dennoch ist der unterschiedliche Charakter des Tötens außerhalb einer Rechtsordnung und innerhalb einer solchen derart gravierend, dass es als ausgeschlossen erscheint, das Töten innerhalb einer Rechtsordnung allein deswegen noch zu rechtfertigen, weil ein Staat unter Missbrauch seiner Kompetenz dieses Töten anordnet. Nach der neuen Rechtsordnung werden im jährlichen Turnus alle Staaten erklären, dass der Kriegs- bzw. Naturzustand beendet ist, dass gewaltsame Kriege nicht mehr geführt werden können und dass sie die Staaten, die dieses Verbot missachten, bekämpfen werden. Jedem Soldaten wird bewusst gemacht, dass er nur noch zur Vollstreckung des Rechts Gewalt üben darf.. Der Soldat, der meint dennoch Angriffsbefehlen gehorchen zu müssen, bedarf keiner besonderen Rücksichtnahme. Auch von den Soldaten eines Aggressorstaates muss man erwarten können, dass sie ihre Waffen niederlegen, ihre das Völkerrecht und ihre Verfassung missachtende Regierung unverzüglich selbst beseitigen oder zumindest fahnenflüchtig
232 Siehe G V 1 c
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werden. Sollten sie bei ihren Kampfhandlungen außerdem noch gegen das Kriegsrecht verstoßen, so müssen ihre Taten als solche als besonders strafwürdig qualifiziert werden. Darum heißt es in Art. 168 Abs. 2 FO, dass die Unterzeichnerstaaten sich dazu verpflichten, diese Kriegsrechtsverletzungen als besonders schwere Delikte in ihren Strafgesetzbüchern aufzunehmen.233 Damit unterstützt die FO auf der einen Seite das humanitäre Kriegsrecht und die Kriegsverhinderung, indem sie es dem Aggressorstaat einerseits schwer macht, Soldaten für die beabsichtigte Aggression zu finden und indem sie andererseits den Aggressorstaat weiterhin an diese Normen bindet.. Nun gibt es allerdings Staaten, die ihre Bevölkerungen von jeder Information total ausschließen234. Es kann also sein, dass es Soldaten gibt, die nichts von der Existenz der FO wissen. Für diese Soldaten sieht das Statut die Möglichkeiten der Schuldminderung durch Verbotsirrtum vor.
Es fragt sich, ob die Soldaten eines Nichtunterzeichnerstaates wegen Totschlags zu verfolgen sind, wenn dieser Staat einen anderen Unterzeichnerstaat angreift. Grundsätzlich muss man wohl in diesem Fall noch davon ausgehen, dass der Krieg an und für sich noch einen Rechtfertigungsgrund für das Töten darstellt. Greift dieser Staat allerdings einen Unterzeichnerstaat an, so wird er, ob er es will oder nicht, in Kriegsverfahren mit einbezogen. Das geschieht durch die Erhebung der passiven Kriegserklärung des überfallenen Staates. Der Aggressorstaat könnte sich durch Erhebung des Widerspruchs und Unterzeichnung der FO verteidigen. Erhebt er keinen wirksamen Widerspruch, dann wird er dennoch nach den Regeln des Bekämpfungsverfahren bekämpft, d.h. er bleibt in einer Rechtsordnung, in dem das Töten nicht gerechtfertigt werden kann. Die Soldaten des Unterzeichnerstaates werden im Verteidigungsnotstand ihres Staates rechtmäßig töten, weil sie einen internationalen Auftrag dazu haben. Die Soldaten des Angreiferstaates dagegen sind wegen Mordes oder Totschlags zu verfolgen.
Greift nun ein Nichtunterzeichnerstaat einen anderen Nichtunterzeichnerstaat an, erklärt dabei aber gleichzeitig den Betritt zur Friedensgemeinschaft und erhebt die passive Kriegserklärung, dann töten die Soldaten dieses Staates auch rechtmäßig, wenn nicht der angegriffene Staat Widerspruch erhebt und ebenfalls der Friedensorganisation beitritt und die FO unterzeichnet. Im Ermittlungsverfahren wird dann geprüft, wer angegriffen und damit einen rechtswidrigen Krieg eingeleitet hat, sodass die Soldaten des festgestellten Aggressorstaates nicht rechtmäßig getötet haben, mit der Folge, dass sie wegen Mordes oder Totschlags zu verfolgen sind. Es fragt sich allerdings, von welchem Zeitpunkt an die militärischen Akte des Opferstaates als Verteidigungshandlungen gewertet werden können, rückwirkend auf den Zeitpunkt des militärischen Aktes oder aber erst ab Beitrittserklärung. Diese Frage soll hier bewusst unbeantwortet bleiben, denn das Risiko rechtswidrig getötet zu haben und nicht rechtzeitig der Friedensorganisation beigetreten zu sein, soll möglichst
233 Auf Art. 8 RSTIGH wird besonders hingewiesen.
234 Davon auszugehen, fällt im Jahre 2007 allerdings schon recht schwer. Selbst China schafft es nicht, seine
Bevölkerung bei der Beschaffung von Informationen über das Internet zu hindern.
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hoch eingeschätzt bleiben. Im Ergebnis führt das dazu, dass jeder Soldat, bevor er einen Schuss abgibt, sehr genau prüfen muss, ob sein Staat der Friedensorganisation angehört oder nicht. Ein halbwegs normal denkender Mensch wird nicht das Risiko auf sich nehmen, einem Staat zu dienen, der den Krieg will und das Töten befiehlt.